Einheitslastenabrechnungsgesetz: Klage der Städte im Kreis gegen das Land NRW erfolgreich

Münster. Der Verfassungsgerichtshof für das Land NRW hat am heutigen Dienstag in Münster das Einheitslastenabrechnungsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz regelt die Beteiligung der 396 Städte und Gemeinden im bevölkerungsreichsten Bundesland an den Kosten des Landes für die Deutsche Einheit. Für den Zeitraum ab 2007 hatte das Land eine neue, für die Kommunen deutlich ungünstigere Abrechnungsmethode eingeführt, durch die den Städten und Gemeinden bis zum Auslaufen des Solidarpakts im Jahr 2019 rund zwei Milliarden Euro zusätzlich entzogen worden wären.

„Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes können wir nur begrüßen und gut heißen“ freute sich der Vorsitzende des Finanzausschusses des Städte- und Gemeindebundes und CDU-Landtagskandidat André Kuper. „Das klare Votum der Verfassungsrichter ist ein großer Erfolg und ein gutes Zeichen für alle Kommunen in NRW.“ Das Gericht habe letztlich die Argumentation der kommunalen Familie bestätigt, dass das Einheitslastenabrechnungsgesetz des Landes den Vorgaben des Bundesrechts widerspricht und die Kommunen in ihren Rechten verletzt“, betonte Kuper in einer ersten Stellungnahme.  Nach Auffassung aller kommunalen Spitzenverbände werde das Urteil positive Wirkung haben nicht nur für die 91 Beschwerde führenden Städte und Gemeinde (hierzu gehörten auch die Städte Rietberg, Verl, Schloß Holte-Stukenbrock, Rheda-Wiedenbrück und Langenberg), sondern für die gesamte Kommunalfamilie.

„Die Kommunen haben damit nun schon zweimal gerichtlich Versuche des Landes vereitelt, die Abrechnung der Einheitslasten einseitig zu seinen Gunsten zu gestalten. Das sollte für das Land ein klares Zeichen sein.“ Kuper blickt auch schon nach vorn: „Wir müssen natürlich die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, sehen aber schon jetzt deutlich grundlegenden Korrekturbedarf und warnen vor dem Versuch, dieses gescheiterte Gesetz mit ein paar kleinen Reparaturen retten zu wollen. Das zöge dann schlimmstenfalls ein drittes Verfahren nach sich.“ Der Fachmann forderte heute: „Die Kreise, Städte und Gemeinden in NRW brauchen nun rasch eine faire, gerechte und planungssichere Abrechnung ihrer Einheitslasten, der Verfassungsmäßigkeit an sich außer Frage steht.

Ein solcher Weg wäre nach Auffassung Kupers die Rückkehr zu dem bis 2006 praktizierten Abrechnungsverfahren. Seinerzeit wurden ausschließlich die tatsächlichen Zahllasten des Landes im Länderfinanzausgleich mit den Kommunen abgerechnet und nicht, wie im neuen, nun  gescheiterten Abrechnungsgesetz vorgesehen, auch fiktive Belastungen, die nicht auf handfesten Daten sondern schlicht auf Mutmaßungen fußen.

„Was die Entscheidung in Münster jetzt aber konkret finanziell für die vier Städte und die Gemeinde Langenberg in meinem Wahlkreis 96 bedeutet, lässt sich noch nicht mit exakten Zahlen darstellen. Das Abrechnungsverfahren des Landes ist sehr kompliziert. Wir gehen aber davon aus, dass wir ein wenig mehr Geld in unseren Haushaltskassen belassen können“, so Kuper.

Mitteilung des Verfassungsgerichtshofes:

Kommunale Verfassungsbeschwerden gegen Einheitslastenabrechnungsgesetz erfolgreich

08.05.2012

Das Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW vom 9. Februar 2010 wird der bundesrechtlich vorgesehenen Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes in Folge der Deutschen Einheit nicht gerecht und verletzt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Dies hat der Verfassungsgerichtshof mit heute verkündetem Urteil entschieden und damit den Verfassungsbeschwerden von 91 Städten und Gemeinden stattgegeben.

Nach dem Gemeindefinanzreformgesetz des Bundes sind die Gemeinden bis zum Jahr 2019 zu rund 40 v. H. an den finanziellen Belastungen zu beteiligen, die sich für das jeweilige Land aus der seit 1995 erfolgenden Einbeziehung der neuen Länder und Berlins in den bundesstaatlichen Finanzausgleich ergeben. Die – immer schwieriger werdende – Bestimmung der Höhe dieser Landesbelastungen hat der Landesgesetzgeber im Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW für die Jahre 2007 bis 2019 neu geregelt. Hiergegen wandten sich die Beschwerdeführerinnen. Sie machten geltend, die veränderte Berechnungsweise führe zu überhöhten Werten und verletze deshalb die kommunale Finanzausstattungsgarantie. Dem ist der Verfassungsgerichtshof im Ergebnis gefolgt.

In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams hierzu u.a. aus:

Die neue Einheitslastendefinition des Einheitslastenabrechnungsgesetzes verletze die kommunale Finanzausstattungsgarantie, weil den Kommunen dadurch Mittel vorenthalten würden, die ihnen kraft Bundesrechts zustünden. Die Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden an den Lasten der Deutschen Einheit beziehe sich nach dem Gemeindefinanzreformgesetz des Bundes – neben den verbleibenden Belastungen der Länder im Zusammenhang mit dem „Fonds Deutsche Einheit” – auf die Belastungen, die den alten Ländern aus der Einbeziehung der neuen Länder und des Landes Berlin in den bundesstaatlichen Finanzausgleich entstünden. Der bundesstaatliche Finanzausgleich umfasse gemäß Art. 106, 107 Grundgesetz im Wesentlichen vier Stufen (vertikale Verteilung des Steueraufkommens auf den Bund und die Gesamtheit der Länder, horizontale Aufteilung des auf die Länder entfallenden Steueraufkommens einschließlich des sogenannten Umsatzsteuervorwegausgleichs, Länderfinanzausgleich im engen Sinne, Bundesergänzungszuweisungen). Auf allen diesen Stufen sei es im Zuge der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs zum Jahr 1995 zu Veränderungen gekommen. Bestandteil der Neuordnung sei die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Länder von zuvor 37 auf 44 Prozentpunkte gewesen. Diese Rechtsänderung auf der ersten Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs senke die Einheitslast der Länder und müsse auch den Kommunen im Verhältnis ihrer prozentualen Beteiligung zugute kommen. Das Einheitslastenabrechnungsgesetz werde dem insoweit nicht gerecht, als es sich auf eine Quantifizierung der jährlichen einheitsbedingten Mehrbelastung des Landes im Länderfinanzausgleich im engen Sinne beschränke.

VerfGH 2/11