Landesregierung belastet NRW-Kommunen bei der Flüchtlingsaufnahme

Die Probleme in der Flüchtlingsunterbringung sind in NRW besonders stark. Woran liegt das?

Normal wäre das Land NRW für die Erstaufnahme und Verteilung der Flüchtlinge allein verantwortlich. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, kommt die grün-rote Landesregierung ihrer Verpflichtung nicht nach und hat zur Vermeidung von Obdachlosigkeit rund 220 Kommunen per Amtshilfe zur Organisation und Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen als sogenannte Notunterkünfte verpflichtet. Die Kommunen müssen also nicht nur die ihnen regulär obliegende Aufgabe der aufsummierenden endgültigen Unterbringung mit Integration, sondern im Umfang von rund 50.000 Notunterkunftsplätzen auch noch Landesaufgaben erfüllen. Diese 50.000 Plätze fehlen den Städten für eigene Unterbringung.

Außerdem ist das Land für die Ersterfassung der Flüchtlinge verantwortlich. Auch dem kommt das Land nicht ausreichend nach. Zehntausende Flüchtlinge sind in Notunterkünften in den Kommunen aufs Land verteilt und warten dort auf einen Termin für eine Fahrt zu den neuen Registrierungszentren. Das dauert im Durchschnitt heute rund 5-6 Wochen, wo die Flüchtlinge zur Untätigkeit verpflichtet auf die Landesregistrierung warten.  Die Verteilung der ankommenden Flüchtlinge innerhalb Deutschlands und unter den Bundesländern erfolgt auf der Basis des sog. Königsteiner Schlüssels, wonach NRW rd. 21.24 % der Flüchtlinge aufnehmen muss. Formell hat NRW mit rd. 18 % die Quote nicht erfüllt, de facto hatte NRW deutlich mehr Flüchtlinge (geschätzt über 30 %) aufgenommen, die aber aufgrund fehlender Ersterfassung nicht anerkannt waren. Erst wenn die Menschen im sog. EASY-System erfasst sind, erfolgt die Anrechnung auf die Quote – und da hapert es in NRW kräftig. Ich schätze die Zahl der unregistrierten in NRW auf etwa 30.000 bis 50.000 Menschen.

Weiterhin ist zu bedenken, dass auch nach neuester BAMF-Statistik für NRW festzustellen ist, dass 1/3 der eingereisten Menschen aus europäischen Nationen (Westbalkanstaaten) ohne rechtliche Bleibeperspektive sind und damit hier in NRW viele Plätze (125.000) belegen, die normal dringend für Asylbewerber mit Bleibeperspektive benötigt würden. Diese Landesregierung behält diese Flüchtlinge entgegen der Vereinbarungen beim Bund-Länder Flüchtlingsgipfel nicht in zentralen Landeseinrichtungen um sie von dort zurückzuführen, sondern leitet sie direkt in die NRW Städte und Gemeinden (Ausnahme 1.200 Plätze für Bewerber aus Albanien) weiter.

In der Flüchtlingsdebatte dieser Woche habe ich in meiner frei gehaltenen 40. Plenarrede dazu laut Protokoll ausgeführt:

André Kuper (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollten und wir wollen, dass Menschen, die in Not sind, bei uns Schutz und Hilfestellung bekommen. Wir haben dieses Thema auf die Tagesordnung gebracht, damit Sie als Landesregierung erklären, wie Sie sich zu den aktuellen Themen und Fragen positionieren. Was wir hier erlebt haben, war – mit sehr viel Verbalgetöse – ein ganz eindeutiges Drücken vor der klaren Beantwortung der an Sie gestellten Fragen.

Meine Damen und Herren der Landesregierung, Sie haben hier und heute Morgen lediglich versucht, die Differenzen zwischen Grün und Rot unter den Tisch zu kehren. Sie haben die Fragen nicht beantwortet und stattdessen zum Teil mit Weiterentwicklungen von irgendwelchen Annahmen Szenarien herbeigeschworen, die Sie dann wieder wegdiskutiert haben. Das ist nicht seriös und wird auch dieser Thematik nicht gerecht.

Herr Minister Jäger sagte gerade, der Bund solle seine Hausaufgaben machen. Das kann sicherlich jeder unterschreiben. Ich hätte allerdings ein bisschen mehr Demut erwartet, dass er nämlich gesagt hätte: Wir als Land müssten auch noch unsere Hausaufgaben erledigen. – Gerade bezüglich der Erstaufnahme schmücken Sie sich mit fremden Federn. Sie sprechen immer von den Notunterkünften des Landes, in denen Zehntausende sind. Es sind die Notunterkünfte, die Sie den Kommunen im Wege der Amtshilfe aufgelastet haben. Sie belasten die kommunale Familie und fordern vom Bund, seine Hausaufgaben zu machen, obwohl Sie sie selber nicht machen. Das ist nicht nachvollziehbar.

Uns liegt eine BAMF-Statistik vor. In dieser Statistik ist aufgeführt, wie viele Menschen in den Monaten Januar bis September aus Syrien, aus Albanien, aus dem Kosovo usw. gekommen sind. Während 74.000 Menschen aus Syrien kamen, kamen rund 125.000 Menschen aus den Demokratien des Westbalkans. Das zeigt, dass das heutige System der Erstaufnahme – Sie als Land sind derzeit für die Erstaufnahme und Verteilung zuständig – so nicht funktioniert, denn diese Menschen sind weitgehend noch da und nicht wieder auf dem Weg in Richtung Heimat, obwohl sie keine Bleibeperspektive haben.

Wenn wir über Verbesserungen reden, dann können Sie eigentlich nur froh und dankbar sein, dass man sich jetzt auf Bundesebene Gedanken darüber macht, die Verantwortung mit Registrierungszentren o.ä. von der Länderebene auf die Bundesebene zu ziehen und dafür zu sorgen, dass die Menschen, die ohne Bleibeperspektive sind, an der Grenze aufgenommen werden, ein rechtsstaatliches Verfahren bekommen und, wenn sie abgelehnt werden, direkt wieder zurückgeführt werden. Denn das ist an dieser Stelle wichtig. Sie belasten ausweislich der BAMF Statistik die Kommunen und die Hilfsorganisationen zu einem Drittel mit Menschen, die keine Bleibeperspektive bei uns in NRW haben. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist intolerabel.“

soweit auszugsweise aus dem Protokoll

Und während der Bund jetzt mit einer Asylverschärfung und ganzen Maßnahmenpaketen handelt, blockiert die Grün-Rote Landesregierung die Umsetzung. Daher habe ich am Freitag, 06.11.2015 die nachfolgende Anfrage gestellt:

Kleine Anfrage

des Abgeordneten André Kuper (CDU)

Beschlüsse der Koalition zum Asylpaket – Registrierungszentrum auch in Nordrhein-Westfalen?

Am Abend des 05. November haben sich die Koalitionen von CDU/CDU und SPD auf eines weiteres umfangreiches Maßnahmenpaket geeinigt, um die Herausforderungen der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen zu bewältigen.

Schutzsuchende aus „sicheren Herkunftsländern“ – vor allem aus Westbalkanstaaten – sollen in speziellen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, wo ihre Asylanträge im Schnellverfahren abgearbeitet werden. Gleiches gilt auch für Menschen, die schon erfolglos in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und nun mit einer Wiedereinreisesperre belegt sind oder einen Folgeantrag stellen. Ebenso Personen „ohne Mitwirkungsbereitschaft“ am Asylverfahren sollen in diesen neuen Einrichtungen landen. Wie viele Menschen das am Ende betrifft, ist unklar. Geplant sind drei bis fünf solcher Zentren, die ersten davon in Bamberg und Manching in Bayern, die bereits seit September als sog. Balkan-Einrichtungen geführt wurden.

Die Asylanträge sollen in den Registrierzentren im Eiltempo abgearbeitet werden: eine Woche für das Asylverfahren, zwei Wochen für das Rechtsschutzverfahren bei einem möglichen Einspruch. Wer keinen Erfolg mit seinem Asylantrag hat, wird direkt aus diesen Einrichtungen in seine Heimat zurückgeschickt. Während ihres Aufenthalts in den Einrichtungen soll für die Flüchtlinge eine strenge Residenzpflicht gelten: Das heißt, sie dürfen den jeweiligen Landkreis nicht verlassen. Tun sie das doch, werden Leistungen gestrichen – und das Asylverfahren ruht. Bei einem weiteren Verstoß gegen die Residenzpflicht hat das Asylverfahren gleich ein Ende – und der Betroffene muss sofort zurück in die Heimat.

Für eine bestimmte Flüchtlingsgruppe soll der Familiennachzug für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt werden. Es geht um Menschen, die weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach dem deutschen Asyl-Grundrecht eine Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik bekommen, aber trotzdem nicht heimgeschickt werden – etwa weil ihnen dort die Todesstrafe oder Folter drohen. Für Menschen mit diesem Status („subsidiärer Schutz“) wurde erst vor wenigen Monaten die rechtliche Möglichkeit geschaffen, Kinder oder Ehepartner ins Land nachzuholen. Dies wird nun wieder eingeschränkt.

Asylbewerber sollen künftig einen einheitlichen Ausweis bekommen. Nur wer künftig ein solches Dokument vorlegen kann, soll auch einen Asylantrag stellen und Leistungen beziehen können. Dieser Ausweis und eine einheitliche Datenbank für Flüchtlinge sollen die bisherigen Registrierungen bündeln und dafür sorgen, dass die unterschiedlichen staatlichen Stellen einen besseren Überblick über die Flüchtlingslage bekommen.

Der Bund will eine neue „Organisationseinheit“ gründen, die Kontakt mit den Herkunftsstaaten von Flüchtlingen hält und nötige Papiere beschafft für Menschen, die das Land verlassen müssen. Abschiebungen scheitern bislang oft an fehlenden Ausweisdokumenten. Die Bundesregierung will außerdem strengere Vorgaben machen für Gesundheitsuntersuchungen vor Abschiebungen.

Neuerdings bekommen Asylbewerber bereits im Asylverfahren Zugang zu Integrationskursen – allerdings nur, wenn sie gute Aussichten haben, dass sie in Deutschland bleiben dürfen. Der Bund will nun, dass sie einen Teil der Kosten dafür selbst tragen und dieser Eigenanteil auf die Asylbewerberleistungen angerechnet wird.

Die Nordrhein-Westfälische Ministerpräsidentin erklärte, dass die jetzt vereinbarten besonderen Aufnahme-Einrichtungen ein Weg dafür sein könnten, zu beschleunigten Asylverfahren zu kommen. Ansatzweise gebe es das in NRW schon – in vier Erstaufnahme-Einrichtungen. Allerdings seien die in Berlin neu beschlossenen Zentren lediglich für Menschen aus sicheren Herkunftsländern gedacht, die nur knapp zwei Prozent aller Flüchtlinge ausmachten. Im Interview mit dem Radiosender WDR5 erläuterte die Ministerpräsidentin weiter, dass Standorte in Nordrhein-Westfalen für die neuen Registrierungszentren derzeit nicht geplant seien.

Die aktuellen Asylbewerberzahlen für Nordrhein-Westfalen für Oktober 2015 zeigen, dass weiterhin Asylanträge aus den sechs Westbalkan-Staaten einen Großteil der Asylverfahren in Nordrhein-Westfalen einnehmen.  Von den im Oktober 2015 insgesamt in Nordrhein-Westfalen gestellten 7.233 Asylanträgen wurden 2.370 von Asylbewerbern vom Westbalkan gestellt. Diese Gruppe machten rund ein Drittel (32.7 Prozent) der Asylantragstellungen im Oktober 2015 in Nordrhein-Westfalen aus. Die Anzahl der Folgeantragsteller lag im Oktober bei 683 und entsprach 9,4 Prozent aller gestellten Asylanträge in Nordrhein-Westfalen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Aus welchem Grund plant die Landesregierung keine sog. besonderen Aufnahme-Einrichtungen, mit den in den Koalitionsbeschlüssen verabredeten Maßnahmen, wie zum Beispiel der Einschränkung der Residenzpflicht und dem beschleunigten Verfahren analog des Flughafenverfahrens, umgesetzt werden?
  2. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit solcher besonderen Aufnahme- Einrichtungen auch in Nordrhein-Westfalen angesichts der Tatsache, dass allein die Gruppe der Balkan-Flüchtlinge und der Folgeantragsteller rund 42 Prozent der Asylanträge in Nordrhein-Westfalen ausmachen und in den besonderen Aufnahmeeinrichtungen auch Asylbewerber mit Wiedereinreisesperre und Asylbewerber ohne Mitwirkungsbereitschaft untergebracht und einem schnellen Verfahren inkl. Einschränkung der Residenzpflicht behandelt werden sollen?
  3. Wie hoch ist aktuell die Zahl der Asylbewerber in Nordrhein-Westfalen, die unter die Gruppe fällt, die künftig in den besonderen Aufnahme-Einrichtungen untergebracht werden können?
  4. Welche Konsequenzen haben die jetzigen Beschlüsse auf die Umsetzung des Aktionsplans Westbalkan in den vier NRW- Einrichtungen, in den 1.200 Albanern besonders untergebracht werden?
  5. Im Rahmen der Verständigung wurden auch Maßnahmen zur erleichterten Abschiebung ausreisepflichtiger Personen beschlossen. Dazu gehört eine neue Organisationseinheit, die die notwendigen Pass- und Passersatzpapiere beschafft. Voraussetzung dafür ist, dass die Länder jeweils eine zentrale Stelle für die Zusammenarbeit benennen und nach Bedarf Mitarbeiter an die Organisationseinheit entsenden. Welche Planungen hat die Landesregierung bezüglich dieses Beschlusses?