Sachverständige Experten bei der Anhörung zum CDU-Antrag: Stärkungspakt ist „Steuererhöhungspakt“ zu Lasten der Bürger

Zur heutigen öffentlichen Anhörung von Sachverständigen zum Stärkungspakt erklärt der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, André Kuper:
„Die heutige Sachverständigenanhörung hat nochmals vor Augen geführt, dass ein Festhalten am Stärkungspakt in seiner jetzigen Form das bundesweit schärfste Steuererhöhungsprogramm ist. Der Stärkungspakt macht Nordrhein-Westfalen zum kommunalen Hochsteuerland. Nur durch die gute Konjunktur und der niedrigen Zinsen ist der Stärkungspaktes noch nicht zerfallen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist bereits klar, dass der Stärkungspakt bei Teilen der kommunalen Familie nicht zur Stärkung, sondern zum Verlust der kommunalen Selbstverwaltung führt.

In den vergangenen 25 Jahren gab es in Nordrhein-Westfalen keine derartig umfangreichen und nahezu flächendeckenden Steuererhöhungen wie in den Stärkungspaktkommunen. Mit Blick auf das rot-grüne Konsolidierungsprogramm setzt die Landesregierung viel zu stark auf Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer und berücksichtigt in keiner Weise die individuelle Situation der 61 betroffenen Kommunen vor Ort. Damit erweist NRW-Innenminister Jäger nicht nur den Kommunen einen Bärendienst. Sie fallen weiter im Standortwettbewerb zurück. Aber vor allem die Bürgerinnen und Bürger spüren die Auswirkungen der Steuererhöhungen unmittelbar. Die Heraufsetzung der Grundsteuer kann zu Mehrausgaben von mehreren Hundert Euro pro Jahr pro Haushalt führen. Durch die Anhebung der Grundsteuer aufgrund der Vorgaben des Stärkungspakts droht allein in Bergneustadt eine Verdreifachung der finanziellen Belastung von Bürgerinnen und Bürger.

Gleichzeitig schürt der Innenminister mit seinem kommunalen Prestigeprojekt die Konflikte innerhalb der Kommunen. Es profitieren nämlich nur 61 Kommunen vom Stärkungspakt, obwohl sich 174 Kommunen im finanzieller Notlage befinden.

Zudem erfolgt die Finanzierung der 2. Stufe des Hilfsprogramms mittlerweile ausschließlich durch die Kommunen, zum Beispiel durch den Kommunal-Soli.“

Hier einige O-Töne aus der Sachverständigenanhörung im Landtag:

Arbeitsgemeinschaft der 28 kreisangehörigen Städte in der ersten Stufe des Stärkungspaktes – Drs. 16/3557
– Sonja Leidemann, Bürgermeisterin der Stadt Witten
– Tobias Stockhoff, Bürgermeister der Stadt Dorsten
– Heinrich Böckelühr, Bürgermeister der Stadt Schwerte
„Der Stärkungspakt muss, …, die Kommunen vor Lasten, die das Land auf die Kommunen abwälzt, schützen. Das Land ist somit in der Pflicht, seinerseits einen Beitrag zur Gesundung der kommunalen Finanzen zu leisten, indem es sich entsprechend zurückhält. Von Seiten des Landes NRW wird immer wieder betont, dass das Prinzip der Konnexität strikt eingehalten wird. Die Praxis zeigt ein anderes Bild. Die Ministerien haben über Zuwendungen und Erlasse inzwischen einen Weg gefunden, wie sie die Konnexität auf elegante Art und Weise aushebeln können.“
„Eine Lösung der Altschuldenproblematik und die damit einhergehenden Zinsrisiken liefert der Stärkungspakt nicht.“
„Am Stärkungspakt teilnehmende Kommunen sind gezwungen, auf der einen Seite Steuern (und Gebühren) zu erhöhen, auf der anderen Seite jedoch zumeist zeitgleich Leistungen für den Bürger zu reduzieren. Das bringt deutliche Nachteile hinsichtlich der Attraktivität des jeweiligen Standortes mit sich“
 Grundproblem: Stärkungspakt analysiert nicht die Ursachen der kommunalen Finanzmisere. Die alles entscheidende Ursache ist, dass alle Kommunen in NRW und nicht nur die Stärkungspaktkommunen strukturell beträchtlich unterfinanziert sind – In Deutschland ist der Kommunalisierungsgrad der Aufgaben in NRW am höchsten ; gleichzeitig bleibt die Finanzausstattung der Kommunen in NRW hinter der Finanzausstattung anderer Bundesländer zurück
 Landesförderung bleibt hinter den fiskalischen Notwendigkeiten zurück. Sie reicht noch nicht einmal zur Abdeckung der Zinsen für Liquiditätskredite. Junkernheinrich sah 20% an Eigenkonsolidierungsanstrengungen der Kommunen vor – tatsächlich beträgt der Sanierungsanteil der Kommunen 70 – 80 %
 Fehler, dass die Sparanstrengungen nicht gleichmäßig auf alle kommunalen Ebenen verteilt worden sind. So werden die Umlageverbände aus dem Stärkungspakt ausgeklammert – Umlagegenehmigungsgesetz ändert nichts, weil es keine Sparanreize setzt, sondern ein umständliches Beteiligungsverfahren eingeführt hat
 Verstöße gegen Prinzip der Konnexität – neue Lasten durch Landeserlasse
 Stärkungspakt scheitert, wenn Konjunktur einbricht und/oder die Zinsen steigen
 Folgen des Stärkungspaktes: beträchtliche Steuererhöhungen
 Sofern keine Ausnahmen oder Erleichterungen beim Haushaltsausgleich zugelassen werden, scheint es bei den Hebesätzen keine Grenzen zu geben
 Die Steuerschraube ist die letzte Möglichkeit, die Probleme zu bewältigen

Prof. Dr. Oebbecke – Drs. 16/3574
„Die Erwartung, die Kommunen könnten im Wege der Selbstorganisation in überschaubarer Zeit auf solchen Feldern wirtschaftlich und sachlich angemessene Lösungen erreichen, wäre naiv. Das Land muss durch Überzeugungsarbeit, finanzielle Anreize und ggf. auch durch gesetzliche Regelungen auf Verbesserungen hinwirken. Dieser Verantwortung ist das Land bisher nicht nachgekommen.“
 Außergewöhnlich gute Entwicklung der öffentlichen Einnahmen hat die Erreichung der bisherigen Ziele begünstigt
 Widerspruch: abundante – also nach den Kriterien des Finanzausgleichs nicht bedürftige – Gemeinden wurden in den Stärkungspakt einbezogen und dann auch nicht zu seiner Finanzierung über die Solidarumlage herangezogen
 Land ist bislang seiner Verantwortung für den Bereich Standard- und Bürokratieabbau nicht nachgekommen, da es auch Bereiche gibt, wo die Ausgaben der Kommunen im Lande höher sind, als sie sein müssten: In Nordrhein-Westfalen leben 21,7 % der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland. Aber der proportionale Anteil der kommunalen Jugendämter ist mit 33,04 % in NRW fast ein Drittel aller deutschen Jugendämter.

Bund der Steuerzahler NRW – Drs 16/3579
„Nach gut vier Jahren Erfahrungen mit dem Stärkungspakt lässt sich ernüchternd festhalten, dass ein wesentliches Ziel der nachhaltigen Etatsanierung nicht erfüllt wurde. Trotz sehr guter Steuereinnahmen und geringer Zinsaufwendungen wachsen die kurzfristigen Kreditverbindlichkeiten („Kassenkredite“) immer noch weiter“
„In den Stärkungspaktgemeinden zeigt sich ganz eindeutig, dass die Wohnsteuern massiv erhöht worden sind. Alle Kommunen des Stärkungspakts haben seit 2011 an der Steuerschraube gedreht.“
„Deshalb ist aus Steuerzahlersicht festzuhalten, dass der Stärkungspakt in seiner jetzigen Ausgestaltung ein umfassender Steuererhöhungspakt ist. Derartig umfangreiche und nahezu flächendeckende Steuererhöhungen gab es in den vergangenen 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen nicht.“
 schwerer Webfehler im Stärkungspaktgesetz, dass Kreise, Landschaftsverbände und RVR nicht in Konsolidierung mit einbezogen wurden
 viele Bundesländer mit freiwilliger Teilnahme und wie in Rheinland Pfalz und Hessen mit individuellen, einzelvertraglichen Regelungen
 Kassenkredite NRW-weit auf überdurchschnittlich hohem Niveau, damit wurde wesentliches Ziel der nachhaltigen Etatsanierung nicht erfüllt. Trotz sehr guter Steuereinnahmen und geringer Zinsaufwendungen wachsen die kurzfristigen Kreditverbindlichkeiten immer weiter
Zwischen 2010 und 2014 sind die „Kommunaldispos“ in allen 396 NRW- Kommunen und den 31 Landkreisen von 20,2 Milliarden Euro auf 26,4 Milliarden Euro gestiegen. Dies ist ein Wachstum um gut 30 Prozent. Bei den „Stärkungspaktkommunen 1“ beträgt das Wachstum der Kassenkredite im gleichen Zeitraum aber immer noch rund 9 Prozent; bei den „Stärkungspakt 2-Kommunen“ hingegen rund 27 Prozent
 Überwiegend Etatsanierung auf der Ertragsseite:
– Moers 80 Prozent durch Erhöhung der Ertragsseite
– Alle Kommunen des Stärkungspakts haben seit 2011 an der Steuerschraube gedreht. Die höchste Grundsteuer B-Belastung landesweit müssen die Steuerzahler in Bergneustadt verkraften. Hier ist die Grundsteuer B zwischen 2011 und 2016 von 410 Prozent auf 959 Prozent gestiegen. In der Diskussion sind aktuell sogar Grundsteuer B-Hebesätze von mehr als 1.000 Punkten, etwa in Overath oder Bergneustadt.
 Finanzierung der 2. Stufe Stärkungspakt – vollständig von Kommunen, obwohl einzelne dieser Kommunen inzwischen selbst in der Haushaltssicherung sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diese Kommunen ggf. Erträge durch Steuererhöhungen steigern müssten

GPA – Drs. 16/3577
„In den aktuellen „TOP 10“ der Maßnahmen in den Haushaltssanierungsplänen der am Stärkungspakt teilnehmenden Kommunen (s. Anlage) belegen die Maßnahmen „Erhöhung Grundsteuern“, „Erhöhung Gewerbesteuer“ und „Erhöhung sonstige kommunale Steuern“ nach Auswertungen der GPA NRW nach wie vor vordere Plätze“
 2 Mrd. Euro Konsolidierungsleistungen über Erhöhung der Grundsteuer B als „Top-Maßnahme“ / ein Drittel der Maßnahmen (3,2 Mrd. Euro) zur Haushaltssanierung sind Steuererhöhungen oder Abgabenerhöhungen

Landkreistag und Städte- und Gemeindebund – Drs. 16/3582
„Die Konsolidierung finanzschwacher Kommunen in Nordrhein-Westfalen droht zu scheitern! Mussten viele Kommunen und ihre Bürger schon vor der Flüchtlingskrise an ihre Belastungsgrenzen gehen, um die ihnen gestellten haushaltsrechtlichen Vorgaben zu meistern, ist die aktuelle Kumulation finanzieller Aufwendungen geeignet, bislang gezeitigte Konsolidierungserfolge zu Makulatur werden zu lassen. Es droht eine endgültige Überforderung.“
 bei Stärkungspaktkommunen stellt sich die Frage, wie mit den gegenwärtigen „Mammutaufgaben“ – finanziellen Folgen der Flüchtlingsunterbringung, -versorgung und -integration – finanziell umzugehen ist
 Die Konsolidierung finanzschwacher Kommunen in Nordrhein-Westfalen droht zu scheitern! Mussten viele Kommunen und ihre Bürger schon vor der Flüchtlingskrise an ihre Belastungsgrenzen gehen, um die ihnen gestellten haushaltsrechtlichen Vorgaben zu meistern, ist die aktuelle Kumulation finanzieller Aufwendungen geeignet, bislang gezeitigte Konsolidierungserfolge zu Makulatur werden zu lassen.
 Es droht eine Überforderung der Kommunen

Manfred Busch, Kämmerer der Stadt Bochum – Drs. 16/3584
„Anders ausgedrückt: In der Periode 2010-2015 wurden „eigentlich“ genauso hohe Defizite erzeugt wie in der Vorperiode – lediglich wurden notwendige Kassenkredite durch Stärkungspakt- Mittel ersetzt.“
 Evaluierungsberichte nutzen im Wesentlichen nur Plangrößen – sowohl bzgl. der Finanzergebnisse als auch bzgl. der Konsolidierungsmaßnahmen -, die nur sehr bedingt Rückschlüsse auf die tatsächliche Entwicklung zulassen.
 Gebremster Anstieg der Kassenkredite in Stufe I, wurde bereits im 3. Quartal 2015 wieder umgedreht
 letztlich wurden notwendige Kassenkredite durch Stärkungspakt-Mittel ersetzt und kommunale Kredite der Stärkungspakt-Kommunen durch Kreditaufnahmen anderer mitfinanzierende Kommunen ersetzt.
 Hebesätze in den Stärkungspaktkommunen bei der Gewerbesteuer, insbesondere aber bei der Grundsteuer, liegen deutlich über dem Durchschnitt der Städte in NRW – der wiederum weit über dem Bundesdurchschnitt liegt (vgl. Ernst & Young 2016). Insbesondere die Kommunen der Stufe 1 liegen drastisch oberhalb ihrer Gruppen (Kreisfreie: 117, Kreisangehörige: 163 Hebesatzpunkte oberhalb des Durchschnitts), ebenfalls die Kreisangehörigen der Stufe 2 (plus 110 Hebesatzpunkte).

Stadt Löhne – Drs. 16/3587
„Grund für Steuererhöhungen sind die in den letzten Jahren entstandenen Defizite, die es abzudecken gilt. Das Stärkungspaktgesetz wie auch die Regelungen zur Haushaltssicherung verstärken notwendigerweise diesen Mechanismus.“
 nicht förderliche Praxis der Aufsichtsbehörden, unter Verweis auf höhere Steuersätze in anderen Stärkungspaktkommunen, sogleich Erhöhungen der Realsteuern vorzuschlagen – Stärkungspakt verschärft Mechanismus der Steuererhöhungen

Städtetag NRW – Drs. 16/3592
„Der Stärkungspakt Stadtfinanzen bietet schließlich keine Lösung für bestehende strukturell-ökonomische Probleme, die die Haushalts- und Finanzsituation der betreffenden Gemeinden insbesondere im Ruhrgebiet und im Bergischen Land stark prägen.“
 Plandaten der Stärkungspaktkommunen sind mit erheblichen Prognose- und Entwicklungsrisiken behaftet – bereits 2014 hat es eine negative Abweichung der Ist- von den Plandaten in Höhe von -262 Mio. Euro gegeben
 Belastungen durch Flüchtlingskrise gefährden die Ziele des Stärkungspakts
 Ohne eine ausreichende Einbindung der Umlageverbände in den Konsolidierungsprozess werden die Konsolidierungsleistungen der Städte und Gemeinden immer wieder durch steigende Umlageverpflichtungen konterkariert
 Kritik, dass die in der zweiten Stufe gewährten Hilfen nun vollständig aus kommunalen Mitteln finanziert werden
 Zweifel, ob der Stärkungspakt in der konkreten Ausgestaltung bereits ausreicht, um die gesteckten Gesamtziele zu erreichen. Dies betrifft die Umsetzung der Pläne in die Realität und auch die Finanznot zahlreicher Kommunen, die derzeit nicht vom Stärkungspakt profitieren, sondern nur direkt oder indirekt zu seiner Finanzierung beitragen.