Erstes „Parlamentsgespräch“ – Experten diskutieren über Zukunft des Föderalismus

Auf Einladung des Präsidenten des Landtags Nordrhein-Westfalen, André Kuper, hat das erste von ihm initiierte „Parlamentsgespräch“ im Landtag stattgefunden. Thema der Diskussionsveranstaltung war die „Zukunft des Föderalismus“.

Es diskutierten Prof. Dr. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, die Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, Prof. Dr. Ursula Münch,  der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Roland Sturm (Universität Erlangen-Nürnberg) und der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Klaus Gärditz (Universität Bonn). Der Abend wurde durch Anne Gesthuysen moderiert.


Der Präsident des Landtags, André Kuper, (3.v.l.) konnte beim ersten Parlamentsgespräch Prof. Dr. Roland Sturm (v.l.), Prof. Dr. Ursula Münch, Prof. Dr. Klaus Gärditz und Prof. Dr. Heribert Prantl als Experten begrüßen. Durch den Abend führte die Moderatorin Anne Gesthuysen. 

Der Präsident des Landtags, André Kuper, sagte: „Der Landtag Nordrhein-Westfalen ist der Ort, an dem die wichtigen landespolitischen Debatten geführt werden. Mir ist es wichtig, dass er darüber hinaus auch über gesellschaftlich relevante Themen diskutiert, die nicht im Fokus der aktuellen politischen Auseinandersetzung stehen, die aber eminent wichtig für unsere Zukunft und die Zukunft unseres Zusammenlebens sind. Dazu soll das neue Format der ,Parlamentsgespräche‘ dienen. Die Entwicklung des Föderalismus und damit auch unserer Landesparlamente ist von hoher Bedeutung für die Zukunft unserer Demokratie. Der Föderalismus steht für Bürgernähe, die demokratische Balance in der Parteiendemokratie und das Wettbewerbselement von politischen Lösungen.


Der Präsident begrüßte die Gäste in der Bibliothek des Landtags. 


Prof. Dr. Heribert Prantl führte mit einem Impulsreferat ins Thema „Föderalismus“ ein. 

Das nächste „Parlamentsgespräch“ zum Thema „Zwischen Fake-News und Hate-Speech – Verantwortung der (sozialen) Medien für die Demokratie?“ findet am Dienstag, 12. Juni 2018, im Landtag statt. Es diskutieren u. a. die Journalisten Dunja Hayali und Ulrich Wickert.

Den Wortbeitrag von Präsident André Kuper können Sie hier nachlesen:

zunächst möchte ich Sie alle ganz herzlich im Landtag von Nordrhein-Westfalen begrüßen. Besonders auch unsere Gäste und Mitdiskutanten Frau Prof. Münch, Herr Prof. Prantl, Herr Prof. Sturm, Herr Prof. Gärditz und die Moderatorin des Gesprächs, Frau Anne Gesthuysen.

Mit Ihnen wollen wir heute Abend die Veranstaltungsreihe „Parlamentsgespräch“ eröffnen und in diesem Zusammenhang freue ich mich über Ihr Interesse an dem heutigen Parlamentsgespräch. Es muss aus meiner Sicht für das größte Landesparlament eine wichtige Frage sein, welche Zukunft der Föderalismus hat. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass die heutigen Gesprächsteilnehmer für eine spannende Diskussion zu diesem Thema sorgen werden.

Der heutige Abend ist der Auftakt zu einer Gesprächsreihe, die mir in diesen Zeiten, in denen alte Gewissheiten zunehmend verloren gehen, sehr am Herzen liegt. Es soll in dieser Gesprächsreihe um grundsätzliche und eher nicht tagesaktuelle politische Fragen gehen, wenngleich diese, das wird sich entweder im Vortrag von Herrn Prof. Prantl oder im anschließenden Gespräch zeigen, natürlich nicht ignoriert werden können. Vor allem aber soll es um die Fragen gehen, die Landes-Politik bewegt oder bewegen sollte: Wie bewahren wir die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie? Wie erhalten wir Bedingungen für das Gelingen der bewährten Demokratie? Heute wird uns häufig bewusst, dass Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und die parlamentarische Demokratie keine Selbstverständlichkeiten sind. Uns wird bewusst, dass historische Errungenschaften wieder verloren gehen können, wenn ihre Grundlagen brüchig werden.

Ja, Politik muss die wahrgenommenen Bruch- und Fehlstellen füllen, sie darf nicht ausweichen, wo Antworten auf drängende Fragen gegeben werden können. Aber wahr ist auch: Wir, die Bürgerinnen und Bürger, müssen uns selbstbewusst um die Demokratie kümmern – und auch wieder lernen, für sie zu streiten.

Deshalb brauchen wir Orte, an denen wir die Debatten führen können, mit Leidenschaft und Vernunft. Deshalb sind Sie hier, denn so ein Ort soll auch das „Parlamentsgespräch“ im Landtag sein, indem über Herausforderungen diskutiert wird, Lösungswege erörtert werden; auch mit dem Mut keine abschließenden Antworten liefern zu können.

In diesem Sinn sollen sich die Parlamentsgespräche um die Fragen der Demokratie drehen. So werden wir uns im Juni mit einer wichtigen Frage dieser Zeit beschäftigen wollen: Welche Verantwortung haben Medien und wie verändert sich der demokratische Prozess durch Internet und Soziale Medien; u.a. mit Ullrich Wickert und Dunja Hayali. Zu diesem Zweiten Parlamentsgespräch am 12 Juni möchte ich Sie schon heute herzlich einladen.

Heute reden wir aber über die Stärke und die Schwäche des Föderalismus. Wir wollen also letztlich über das Große reden, über die Konstruktion unseres Staates, über die vom Grundgesetz mit Ewigkeitsgarantie versehene föderalstaatliche Gliederung und deren Gefährdung.

Föderalismus – also die auf gemeinsames Handeln ausgerichtete Balance zwischen den Ländern und der Zentralgewalt – ist das wesentliche Element der deutschen Verfassungsgeschichte. Aber ist dieses Element auch ein wesentliches Element für die Zukunft? Bedarf es überhaupt einer Debatte über die Zukunft der Landtage, wo doch der föderale Staatsaufbau im Grundgesetz an mehreren Stellen eindeutig festgeschrieben ist und er mit der Ewigkeitsgarantie des Artikels 79 Absatz 3 versehen ist?

Der Form nach existiert der Föderalismus in bewährter Form. Aber wird er denn auch noch tatsächlich gelebt? Denn regelmäßig wird in Befragungen von Bürgerinnen und Bürgern deutlich, dass Aufgaben mehr und mehr vom Bund übernommen werden sollen! Wenn aber immer weiter Kompetenzen weg von den Ländern und hin zum Bund geschoben werden, sind dann nicht die Bundesländer überflüssig? Sind Länder nur noch Folklore und für das Gefühl da?

Die Geringschätzung, die dem Föderalismus zunehmend entgegengebracht wird, ist umso erstaunlicher, als es das Instrument der Gewaltenkontrolle und des Schutzes gegen Machmissbrauch und Machtkonzentration ist – aus den Lehren von Weimar und der NS-Zeit. Aber ein Trend in Richtung Verlagerung von Aufgaben auf den Bund und in Richtung Zentralstaat ist deutlich erkennbar, ich sehe das allerdings insgesamt sehr kritisch. Daher müssen wir uns fragen, wie es gelingen kann, die Idee des Föderalismus wieder in die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger und der Politik zu verankern?

Dank oder trotz des Föderalismus sind Deutschland und die Gesellschaft stark geworden. Im Wettbewerb der Länder sind wichtige Impulse entstanden. Aber eventuell muss man erkennen, dass der Föderalismus nicht mehr en vogue ist. In einer Zeit der Globalisierung und Internationalisierung inklusive Europa wirken Länderregelungen und Länder fast zu klein, wo es doch sonst kaum Grenzen gibt. In einer Zeit, in der die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in einem massiven Spannungsverhältnis zum Föderalismus steht, der gerade auf Wettbewerb, Unterschiedlichkeit und Vielfalt setzt.

EU-Kommissionspräsident Junker versucht gerade mit seinen Impulsen bzw. seiner Diskussion von Szenarien aus der Kritik gegen die EU-Institutionen herauszukommen, in dem er sich für unseren alten Grundsatz der Subsidiarität und eine Stärkung der Regionen ausspricht. Das müsste uns doch ermutigen, auch in Deutschland eine solche Debatte aufleben zu lassen.

Meine Damen und Herren, unsere Gäste sollen uns heute Abend helfen, mit ihrer Expertise, mit Ihrer Erfahrung, Fragen wie diese zu beantworten oder Impulse zu geben.

Lieber Herr Prof. Prantl, es gibt kaum einen aktiveren Journalisten und Autor, der sich so vehement für die Belange des Föderalismus einsetzt, aber auch die Schwächen schonungslos klar benennt. „Der Landtag ist nicht das Herz, sondern die Milz der Demokratie: notwendig, aber überflüssig“ so schreiben Sie einem Kommentar. Und weisen damit beständig darauf hin, dass Deutschland Landtage braucht, die etwas zu sagen haben.

Ich freue mich auf Ihren Vortrag und Ihren Beitrag zum heutigen Abend: Ein herzliches Willkommen im Landtag an den Juristen, Journalisten, Autoren und Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung: Willkommen Herr Prof. Heribert Prantl.

Auch unser zweiter Gast ist jemand, den ich als ausgewiesene Fachfrau für dieses Thema bezeichne. Durch die Europäisierung und Globalisierung könne der Bürger kaum mehr nachvollziehen, wer was entscheidet. So entstehe ein Gefühl der Ohnmacht. Ist dies mit ein Grund für die ausbleibende Renaissance des Föderalismus in Deutschland? Ich begrüße die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzingen, und ehemaliges Mitglied der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags zur „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“. Ich begrüße Frau Prof. Ursula Münch.

Unser dritter Gast kommt ebenfalls aus Bayern – anscheinend gibt es nur noch dort überzeugte Föderalisten. In der Vielzahl an Veröffentlichungen, Publikationen zu unserem heutigen Thema, möchte die aktuellste erwähnen: „Der deutsche Föderalismus. Grundlagen – Reformen – Perspektiven“, die auch Titelgebend für den heutigen Abend sein könnte: Vom Institut für politische Wissenschaft der Universität Erlangen begrüße ich sehr herzlich den Politlogen Prof. Dr. Roland Sturm.

Abschließend begrüßen möchte ich einen Verfassungsrechtler in der Runde, übrigens ebenfalls in Bayern geboren, aber mittlerweile in Nordrhein-Westfalen beheimatet. Bereits im Rahmen der Verfassungskommission des Landtags in der vergangenen Wahlperiode war Herr Prof. Gärditz das ein oder andere Mal mit seiner Expertise im Landtag zu Gast. Vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht von der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn begrüße ich sehr herzlich: Prof. Dr. Klaus F. Gärditz.

Last but not least: In Geldern in Nordrhein-Westfalen geboren und noch immer in NRW beheimatet, die Journalistin und Autorin, die uns durch den weiteren Abend führen wird: Herzlich Willkommen, sehr geehrte Frau Anne Gesthuysen.

Fotos: Landtag NRW/Schälte