Quo vadis, Europa – Landtagspräsident hält flammenden Appell vor der Europawahl

Bei der dritten Veranstaltung der Reihe „Parlamentsgespräch“ drehte sich alles um die Europawahl, die in sechs Monaten stattfinden wird. Zu einer spannenden, informativen und interessanten Diskussion zum Thema „Ein halbes Jahr vor der Wahl – Wohin steuert Europa“ kamen am Dienstag Ministerpräsident a.D. Dr. Jürgen Rüttgers, ARD-Brüssel-Journalist Rolf-Dieter Krause, Isabel Hoffmann von „eupinions“, dem europäischen Meinungsforschungsprojekt der Bertelsmann Stiftung, und Daniel Röder, Mitbegründer von „Pulse of Europe“, in den Landtag.

„Ode an die Freude“ oder Dauerkrise? Die Europawahl im Mai wirft bereits jetzt ihre Schatten voraus. Dann wird nicht nur das europäische Parlament gewählt, die Bürgerinnen und Bürger entscheiden auch über die politischen Leitlinien für die Zukunft. Der innere Zusammenhalt des Staatenbündnisses und ihrer Menschen ist aber brüchig wie selten zuvor. Diesen Umstand bedauerte André Kuper, Präsident des Landtags, in seinem Grußwort. Er hielt einen flammenden Appell für die EU. „Die Europäische Union hat ihre angedachte Hauptaufgabe, der Friedenssicherung, voll erfüllt und ist damit zu einer der größten Erfolgsgeschichten des vergangenen Jahrhunderts geworden“, sagte André Kuper. Die Staatengemeinschaft sei längst Teil der DNA des Landes Nordrhein-Westfalen geworden. „Weltweit gibt es wenige Räume – wie die EU – in denen wirtschaftliche Stärke mit Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und sozialem Ausgleich einhergehen“, so Kuper.

„Rechtstaatlichkeit, die Einigung auf feste Spielregeln und dann auch deren Einhaltung sind ein zentraler Pfeiler der Europäischen Union. Es ist deswegen mehr als nur ein Schönheitsfehler, wenn in zentralen Politikfeldern wie der Währungs- oder Flüchtlingspolitik Spielregeln ausgehebelt und Vereinbarungen einfach gebrochen werden“, ergänzte Kuper. „Beides hat Europa gerade bei uns Vertrauen gekostet. Und dieses Vertrauen in rechtstaatliche Grundsätze müssen wir zurückgewinnen.“ Es käme ganz besonders darauf an, die Menschen in Europa mitzunehmen, so Kuper. „Ohne Europäerinnen und Europäer wäre die EU nur eine leere bürokratische Hülle. Nur mit der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger kann Europa seine einmalige Mission erfüllen. Europa ist für uns ein Projekt ALLER und nicht nur eines der Eliten.“

Gleichzeitig müsse Europa wieder zum Fels in der Brandung werden, wenn es um den Schutz des gemeinsamen Wertefundaments geht. „Die Würde des Menschen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit – die Achtung vor diesen Werten eint uns. Für sie einzutreten ist Teil einer gesamteuropäischen Verantwortung.“

Derzeit sehe sich Europa einer langen Liste an Herausforderungen gegenüber: Migration, Finanzkrise, Rechtsstaatskrise und natürlich der Brexit. Meist würden sich nur EU-Kritiker zu Wort melden und zu Wort kommen. „Aktive Stimmen für Europa sind verhalten, oder wir hören sie nicht. Wer nicht gegen Europa ist, ist eben nicht glühend dafür, sondern oft gleichgültig und still“, sagte Kuper und forderte ein aktiveres Einsteigen für die Demokratie. „Wir sollten keine Angst vor zu vielen Stimmen und Meinungen haben, sondern wir sollten Angst vor Gleichgültigkeit haben. Wir sollten nicht Kritik fürchten, sondern Teilnahmslosigkeit. Europas Zukunft braucht lebhafte Debatten – und wir alle sollten uns an ihnen beteiligen: mit Sachkenntnis und Leidenschaft. Denn jeder von uns hier ist so etwas wie ein Botschafter für Europa, der bei Freunden oder am Arbeitsplatz Flagge zeigen kann.“