Kritik zum neuen Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 – Kupers Rede im Plenum des Landtages

Der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, André Kuper, hat seine Kritik an dem Gemeindefinanierungsgesetz 2013 in dieser Woche am Donnerstag im Plenum vorgebracht. Im Gegensatz zum Bundestrend, wo fast in allen Bundesländern wieder positive schwarze Zahlen in den Haushalten stehen, sind die Kommunen in NRW von der Entwicklung abgehängt und schreiben weiterhin massiv rote Zahlen (erwartetes Defizit aller 396 Kommunalhaushalte in NRW für 2012 ist ca. – 1,7 Mrd. Euro). An dieser Tatsache ändert die Landesregierung mit der Einbringung des Gemeindefinanzierungsgesetzes gar nichts. Hierzu hat André Kuper am Mittwoch im Plenum gesprochen. Seine Rede:

Rede zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2013

[Anrede]

die finanzielle Situation unserer kommunalen Familie ist schwer besorgniserregend. Wer in die Entwürfe der Haushaltsbücher der 396 Kommunen in NRW schaut, der sieht zu 90-95 % bei den Ergebnissen rote Zahlen. Das mag ja – je nach politischer Überzeugung – für manche/n eine schöne Farbe sein, ist aber für eine Stadt kein positiver Zustand. Die Auswirkungen dieses Zustandes werden für die Menschen in unserem Land immer mehr sichtbar. Vernachlässigte Bausubstanz, besonders gut spürbar im Straßenverkehr in unseren Städten, wo zunehmend kommunale Brücken mit Tonnagenbeschränkungen und LKW-Durchfahrtverboten ausgezeichnet werden,
oder wo Geschwindigkeitsbegrenzungen aufgrund großer Straßenlöcher und –schäden bis hin zu Sperrungen erfolgen.
Oder nehmen wir die Gebäudesubstanz der Kommunen, wo Sanierungen immer mehr unterbleiben und bei Regen oder Tauwetter das Wasser zunehmend in die Gebäude eintropft und Baufolgeschäden verursacht. Unterhaltungsarbeiten in den Schulen müssen vielfach unterbleiben.
Und auch bei den Leistungen der Städte für die Vereine und Verbände gibt es täglich in den Medien Berichte über Kürzungen und Streichungen.

Die Unterstützung der dringend benötigten ehrenamtlichen Leistungen der Bürgerinnen und Bürger wird für die Städte immer schwieriger bis unmöglich. Die Kostenbelastungen unserer Vereine und Verbände bei Nutzung städt. Einrichtungen werden langsam unerträglich. Und so könnte ich meine Situationsbeschreibung hier sicherlich noch ellenlang fortsetzen. Aber viele von Ihnen, hier im Plenum, kennen diese Situation aus eigener Beobachtung.

Das ist also die Rahmensituation, in der Sie von der Landesregierung am 4. Dezember die 2. Modellrechnung und heute den GE zum GFG 2013 vorgelegt haben.
Mit Spannung hat die kommunale Familie auf das GFG für 2013 gewartet. Im Ergebnis ist viel Spannung, allerdings eher in Form vielfacher Kritik. Mit 8,7 Mrd. Euro erhalten die Kommunen eine, gegenüber 2012, leicht erhöhte Summe an Zuweisungen.
Gegenüber der 1. Modellrechnung aus dem August ist das Gesamtvolumen allerdings um rund 63 Mio. Euro zurückgegangen. Grund dafür ist, laut Angaben der Regierung eine Körperschaftssteuererstattung. Diese belegt gleichzeitig, dass auch die erhöhte Ausstattung im GFG allein aus der Automatik und aus Steuermehreinnahmen aufgrund der guten Konjunktur resultiert.

Anrede, was hören wir in Regierungskreisen bzgl. dieses GFG‘s?

RG lobt sich selbst für höchste Geldausschüttung im GFG?

RG spricht von Wohltaten für Städte und Gemeinden?

RG bezeichnet sich selbst als kommunalfreundlich?

RG kritisiert die Vorgängerregierung – aber das bringt keine Verbesserung der Finanzsituation für die Kommunen heute

RG lobt sich in jeder Debatte ellenlang für Heldentaten der letzten Jahre  – nur: das ist heute und in diesem Jahr Vergangenheit.

Mit all diesen Punkten loben Sie sich selber – was von Eigenlob zu halten ist, weiß der Volksmund am besten.
Mit Ihrem Selbstlob wollen Sie nur das Ist und heute kaschieren, aber das nimmt ihnen in den Kommunen niemand mehr ab

a) Wie ist die Situation heute?

b) Was ist das Konzept der Landesregierung zur Bekämpfung der kommunalen Armut im Land?

Situation der Kommunen ist so schlimm wie noch nie:
Kassenkredite: Allein im ersten Halbjahr 2012 sind die KK nochmals um fast 10 % gestiegen
NRW-Höchststand unter den BL!

Im GFG so viel Geld wie noch nie: Aber gleichzeitig die wohl größte Verliererkommunenanzahl: 223 der 396 Kommunen, also fast 60 % verlieren unterm Strich gegenüber dem Vorjahr

Also müssen wir uns fragen, wo die Verluste entstehen?
Die Verluste entstehen überwiegend im ländlichen Bereich, dort wo rund 60 % unserer NRW-Bevölkerung lebt: also bei den kleineren und mittleren Kommunen, den sog. kreisangehörigen Städten und Gemeinden:
Gegenüber dem Vorjahr verlieren diese Kommunen fast 120 Mio. Euro und damit Minus 4,1 %.
Das hängt überwiegend mit dem Wegfall der Abmilderungshilfe zusammen und der verstärkten Wirkung aus der Erhöhung des Soziallastenansatzes.

Demgegenüber gewinnen die kreisfreien Großstädte 6,3 % hinzu und damit 241 Mio. Euro.
Paradox wird das GFG-System, wenn die „ärmsten“ der Armen durch dieses GFG verlieren würden?:
Ja, auch das ist der Fall, denn 35 unserer Stärkungspaktkommunen verlieren rd. 150 Mio. Euro.

Wir erleben damit eine Situation, wo die letzten gerade noch über Wasser schwimmenden kommunalen Haushalte auch noch unter Wasser gezogen werden.
Die Kommunen, Räte und BürgermeisterInnen, welche in den letzten Jahren gespart und solide gewirtschaftet haben, werden durch diese Regierungspolitik bestraft.

Und wenn man die Finanzsituation der Kommunen in NRW mal im Ländervergleich analysiert, wie einige Finanzwissenschaftler das ständig machen, dann wird ein viel größeres Ausmaß der Not deutlich:

So kann man bei Vergleich der Kommunalfinanzen zwischen Bundesländern folgende Fakten feststellen:

Im Bundesgebiet und Bundesdurchschnitt werden die Kommunen im Jahre 2012 wieder positive Haushaltszahlen erwirtschaften.

In NRW dagegen rechnen wir entgegen dem Bundestrend in diesem Jahr mit weiterhin tiefroten Zahlen und Verlusten von 1,5 bis 2 Mrd. Euro

Diese Zahlen müssen alarmieren. Die NRW-Kommunen haben ein drastisches Minus, obwohl bei einem Vergleich der Kommunalhaushalte in NRW mit den Kommunen der anderen Bundesländern schon heute bei der GrdSt B + GewSt den bundesweiten Höchststand erheben. Die Kommunen in NRW belasten ihre Bürger- und Unternehmerschaft schon heute deutlich mehr als der Bundesdurchschnitt der Kommunen in den sonstigen Flächenländern. Die Steuersätze der NRW-Kommunen sind also überdurchschnittlich – und trotzdem erreichen die NRW-Kommunen keine guten schwarzen Zahlen in den Haushalten.

Und schauen wir uns den Bereich der Investitionen im kommunalen Ländervergleich an, so bescheinigen Finanzwissenschaftler den NRW-Kommunen leider nur das, was unsere Bürgerinnen und Bürger jeden Tag in ihren Städten bemerken können: Gegenüber dem Bundesdurchschnitt investieren unsere NRW-Kommunen bei den Sachinvestitionen deutlich weniger.

Wenn wir also die Gesamtsituation betrachten, dann gilt festzuhalten:
– die NRW-Kommunen haben aufgrund der überdurchschnittlich hohen Steuersätze jährliche Steuermehreinnahmen in Mrd-Höhe
– die NRW Kommunen müssen die Erneuerung ihrer Gebäude- und Straßensubstanz vernachlässigen, sie investieren unterdurchschnittlich
– und trotzdem haben die NRW-Kommunen abweichend vom Bundesdurchschnitt noch tiefrote Zahlen, während die Kommunen im Bundesdurchschnitt schwarze Zahlen schreiben

Die Frage, ob die beschriebenen Probleme mit diesem GFG gelöst werden, beantwortet sich eigentlich von selbst?
Nein, die Finanzmasse ist angesichts der kommunalen Aufgabenbelastung nicht annähernd ausreichend. Es wird trotz der Rekordzuweisungen zu massiven Verlusten der NRW-Kommunen kommen. Diese Verluste lassen sich bei realistischer Herangehensweise und unter Beachtung der Finanzlage des Landes nicht allein im GFG lösen.

Von daher stelle ich erneut die Frage nach einem Gesamtkonzept dieser Landesregierung? – Fehlanzeige!

Ich glaube ja durchaus, dass Sie Herr Minister Jäger grundsätzlich gewillt sind, den Kommunen zu helfen. Aber Sie als Landesregierung konterkarieren  Ihre eigenen Bemühungen durch Maßnahmen an anderen Stellen:
Beispielhaft seien hier genannt:

– immer neue Standards, die im Einzelfalle wünschenswert sein mögen,
die wir uns aber nicht mehr leisten können. Gleichwohl werden diese beschlossen

– ÖPNV: Mehrbelastung rd. 40 Mio. € p.a. für die Kommunen (Allgemeinverbindlichkeit TV)

– LPVG Mehrbelastung für die Kommunen durch stärkere Freistellung

– Inklusion steht bevor, ist aber noch gar nicht berechnet

– Tariftreue- und VergabeG führt zu weiteren bürokratischen Arbeiten und damit Mehrbelastungen

– Landesregierung setzt sich auf Bundesebene für eine Besteuerung von Streubesitzdividenden ein – hierdurch wird es bei den NRW-Kommunen zu Mindereinnahmen kommen

Es ist endlich an der Zeit, ein schlüssiges Gesamtkonzept für eine kommunale Zukunft zu liefern, anstelle halbgaren Herumdokterns an Symptomen.