Dialogverfahren zum Abbau bürokratischer Vorgaben in Nordrhein-Westfalen starten

I. Ausgangslage

Die Finanzlage der nordrhein-westfälischen Kommunen ist weiterhin äußerst kritisch – nur wenige Kommunen können einen ausgeglichenen Haushalt darstellen, der Anstieg der Kassenkredite verläuft weiterhin rasant auf mittlerweile mehr als 25 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund muss ein Gesamtkonzept zur Konsolidierung der Kommunalfinanzen und zur Verbesserung kommunaler Handlungsmöglichkeiten realisiert werden. Einer von vielen möglichen Ansatzpunkten ist die Entlastung der Städte und Gemeinden bei kostenträchtigen Standards.

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen müssen von überzogenen Standardvorgaben in allen kommunalen Aufgabenbereichen entlastet werden. Kommunale Standards sind ein wesentlicher Teil des öffentlichen Handelns und greifen in die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Einzelnen wie von gesellschaftlichen Gruppen ein. Verursacher kommunaler Standards sind alle staatlichen Ebenen, von der Europäischen Union über die Länder, bis zur kommunalen Ebene selbst. Aber auch Unternehmen und Bürger fordern die Gewährleistung von Standards ein.

Standardabbau bedeutet aber auch Verantwortung vor Ort. In der Tendenz gilt, dass man zur Umsetzung zentraler Regelungen Standards benötigt, um Einheitlichkeit im Vollzug zu sichern. Genauso heißt dezentrale Verantwortung Flexibilität, z. B. bei der Entscheidung vor Ort, die dann von Räten, Bürgermeistern, oder Beigeordneten zu rechtfertigen sind: Städte, Gemeinden und Kreise wollen und brauchen flexible Verantwortung vor Ort.

Bei der permanenten kritischen Beleuchtung von kostenträchtigen Standards sind die Kommunen auf die konstruktive Mitarbeit des Landes angewiesen. Für die Untersuchung kostenverursachender Standards ist es daher notwendig, dass man ein institutionalisiertes Verfahren zur dauerhaften Hinterfragung von kommunalen Standards schafft. Vorrangiges Ziel muss es sein, gemeinsam konstruktive Lösungen zu entwickeln, um durch Reorganisationsmaßnahmen oder Gesetzesänderungen Einspareffekte zu erzielen.
Das Land Hessen ist dabei mit seinem Dialogverfahren an dieser Stelle ein positives Vorbild in Deutschland. In kleineren Bereichen der hessischen Gemeindeordnung und des Kommunalabgabengesetzes konnten Fortschritte erzielt werden; so wurden zum Beispiel die Möglichkeit der Online-Bekanntmachung oder der Online-Einladung zu Gremiensitzungen zugelassen und die Zuständigkeit für die Bearbeitung und Gewährung von Wohngeld neu geregelt, die bei insgesamt 50 Städten zu einem Wegfall dieser Aufgabe und nebenbei zu landeseinheitlichen Strukturen führte.

Auch die neue hessische Landesregierung will dieses Verfahren weiterführen. Im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen heißt es dazu: „Den institutionalisierten Austausch zwischen der Landesregierung und der kommunalen Familie wollen wir im Rahmen des Dialogverfahrens des Landes weiter fortsetzen. Ziel dieses Dialogs ist es unter anderem, aktuelle Herausforderungen der Kommunen zu erörtern, Hinweise und Anregungen im Hinblick auf Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Finanzierungsprozesse auszutauschen und mit den Kommunen gemeinsam für den Abbau bürokratischer Hürden zu ihrer Entlastung zu sorgen.“

Im Rahmen des Dialogverfahrens zwischen Ministerien und den kommunalen Spitzenverbänden ist einerseits die Überarbeitung und Streichung bestehender Standards zu untersuchen, andererseits ist auch für zukünftige Maßnahmen eine kritische Standardüberprüfung vorzunehmen. So sollen Vorschläge für Standardveränderungen im laufenden Prozess neuer Gesetze und Vorhaben der Landesregierung überprüft werden.

Eine Überprüfung ist dringend angezeigt, um Überregelungstendenzen, Fehlanreizen und der haushalts- wie personalpolitischen Überlastung der kommunalen Ebene zu begegnen. Es muss zukünftig bei der Standardsetzung darum gehen, die gesetzlich artikulierte Notwendigkeit vom tatsächlichen Bedarf zu unterscheiden. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen benötigen dringend den Abbau von Standards und mehr Freiheit bei der Erbringung von Leistungen für ihre Bürgerinnen und Bürger.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. den Abbau unnötiger, kostenintensiver Standards zur Haushaltskonsolidierung anzugehen,
2. mit dem Dialogverfahren zwischen dem Land und den kommunalen Spitzenverbänden nach dem Vorbild Hessens ein institutionalisiertes Verfahren zur permanenten Hinterfragung von Standards zu etablieren. Ziel des Dialogverfahrens ist es, Standards abzubauen und Verwaltungsverfahren zu optimieren, um so die kommunalen Haushalte zu entlasten.
3. zukünftig bei allen Vorhaben in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden vorab zu prüfen, ob der Nutzen bestimmter angedachter Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand steht, um so den Aufbau neuer kostenträchtiger Standards für die Kommunen zu vermeiden.