André Kuper zum Antrag der SPD/Grüne zum Thema Kommunalfinanzen

Donnerstag, 16.02.2017 – TOP 2 – 11.35 Uhr „Wer bestellt muss auch bezahlen – Der Bund muss die Kosten für seine Gesetze voll übernehmen!“ Antrag von SPD/Grünen: Block I

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Der vorliegende SPD/Grünen-Fraktionsantrag ist im Ergebnis ein Offenbarungseid der Landesregierung. Das Ziel des Antrages ist kurz vor der Landtagswahl sehr durchsichtig: Ein Ablenkungsmanöver von eigenen Versäumnissen und Ungerechtigkeiten in der Kommunalfinanzpolitik der letzten 7 Jahre Rot-Grün bzw. von insgesamt rd. 50 Jahren SPD-Regierungszeit in NRW.
Dieser Antrag ist maximal zum Blenden geeignet, allerdings in Fachkreisen mehr als peinlich. Denn wenn irgendjemand von Ihnen diesen Antrag ernsthaft stellen wollte, bräuchte es konsequenter Weise zugleich in ihrem Beschluss eine Forderung nach einer Grundgesetzänderung, mit der u.a. die gesamte Aufgaben- und Finanzverteilung auf Bundesebene neu geregelt werden müsste. Der kommt nicht, weil die Landesregierung u.a. gerade mit dem Länderfinanzausgleich genau gegenteiliges auf den Weg gebracht und anders zementiert hat.
Und auch ansonsten wäre in der täglichen Praxis ein antragskonformes Verhalten der Landesregierung gefragt, aber auch da: Theorie und Praxis fallen weit auseinander. Also, ein reiner Showantrag, was ich Ihnen auch anhand der nachfolgenden 5 Punkte auseinander nehmen werde:

Belastungen der Kommunen per Bundesgesetz brauchen die Zustimmung des Bundesrates – da ist die rot-grüne Landesregierung vertreten – Wie haben Sie sich denn dort verhalten?

Alle Gesetze, die Land und Kommunen maßgeblich belasten, haben den Bundesrat zu passieren. Wenn der heutige Antrag nicht nur Schein-Kommunalfreundlichkeit wäre, dann müsste die NRW-Landesregierung im Bundesrat die Interessen der Kommunen vertreten und anderswirkende Gesetze abgelehnt haben.
In Ihrem vorliegenden Antrag fordern Sie im Beschlussteil, dass sich die Landesregierung im Bundesrat gegenüber Aufgabenübetragungen auf Kommunen einsetzen soll, wenn Finanzierung durch Bund nicht sichergestellt ist.
Und wie war das in der Praxis der letzten Tage?  NRW hat sowohl dem Bundesteilhabegesetz (Eingliederungshilfe) am 16. Dezember 2016 als auch der Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes am 10. Februar 2017 und damit massiven millionenfachen Sozialkostensteigerungen in den NRW-Kommunen tatenlos zugestimmt. Sie haben damit im Bundesrat die Mehrbelastung der Kommunen mitverursacht – Also: Antrag unglaubwürdig!

Antrag blendet aus, dass die schlechte Lage der NRW-Kommunen auch hausgemachtes NRW-Problem ist:
a) 2015 erzielten die kommunalen Haushalte bundesweit ein Plus von mehr als 3 Mrd. Euro – in Nordrhein-Westfalen dagegen machten die Kommunen ein Minus von mehr als 600 Millionen Euro. Da hilft nicht allein der Fingerzeig nach Berlin, sondern Selbstkritik wäre angebracht und die Frage nach den Gründen und speziellen Ursachen in NRW.
Ein Grund liegt maßgeblich im Kommunalisierungsgrad & Fallzahlen
In keinem anderen Bundesland werden den Kommunen vom Land so viele Aufgaben wie in NRW aufgebürdet, ohne dabei für die notwendige Aufwandserstattung zu sorgen.
Hierzu zwei aktuelle Beispiele: 1. Eingliederungshilfe & 2. Unterhaltsvorschuss:
aa) In 10 der 16 Bundesländer sind die Kommunen entweder gar nicht, oder nur bis zur Hälfte an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligt. In NRW müssen die Kommunen 100 %, allein zahlen. Und wenn man sieht, dass hier allein 4 Mrd. Euro p.a. anfallen, ist hier schon ein Hauptgrund negativer Haushaltsergebnisse in den NRW-Kommunen
bb) Zweites Beispiel: Beim Unterhaltsvorschuss ist die Durchschnittsbelastung im Bundesgebiet rd. 24 %, bei uns in NRW 80 % des Landesanteils,
Und nach allem dann solch ein heutiger Antrag? Ich wiederhole: Unglaubwürdig.
cc) Und wenn man dann auf die Kosten je Einwohner, Fallzahlen oder auch Kosten je Fall schaut, stellen wir auch dort erhebliche NRW-spezifische höhere Kosten gegenüber anderen Bundesländern fest: (Z.B. 865,00 Euro je Einwohner geben die NRW-Kommunen je Einwohner für Soziales aus, während der Bundesdurchschnitt bei nicht einmal 670,00 Euro liegt) Und wenn wir dann, wie in der Vergangenheit geschehen, per Antrag zumindest die Ursachen dieser höheren Kosten analysieren wollen, dann lehnen Sie das bereits im Ansatz ab und boykottieren damit jegliche Veränderung. Und dann solch ein heutiger Antrag? Unglaubwürdig

Aktuelles Fallbeispiel Eingliederungshilfekostensteigerung – Wer bürdet auf? Bund oder Land?
Die aktuelle zusätzliche Belastung aus dem Bundesteilhabegesetz bürdet letztlich nicht der Bund den Kommunen auf – sondern macht das Land (es wurde ausdrücklich von kommunaler Seite begrüßt, dass im Gesetz verankert worden ist, dass die Länder die Träger der Eingliederungshilfe bestimmen und nicht der Bund, dafür sind auch entsprechende Kompensationen für das Land im Länderfinanzausgleich usw. erfolgt). Und damit greift der Konnexitätsanspruch der Kommunen in NRW gegenüber dem Land – und nicht gegenüber dem Bund. Statt die Verantwortung allein auf den Bund abzuschieben, sollten Sie die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Landeszuständigkeit überführen oder den beiden Landschaftsverbänden die Mehrausgaben ersetzen.

Bund ist bereits auf gutem Wege – Massive Entlastung der Kommunen durch die cdu-geführte Bundesregierung:

NRW ist abgewirtschaftet, von daher sind wir in der Tat auf Hilfen des Bundes angewiesen. Und der Bund leistet seinen Beitrag und wird seinen Beitrag weiter erhöhen, was wir selbstverständlich begrüßen und für weiter notwendig befinden. Der Anteil der bundesrechtlich veranlassten Finanzmittelbezüge für die NRW-Kommunen entwickelte sich seit dem Haushaltsjahr 2010 von 2.8 Mrd auf 5,8 Mrd in 2016
(Vollständige Übernahme der Grundsicherung, Schrittweise Milliarden-Entlastung bis zu 5 Mrd. Euro, 7 Mrd. Euro Investitionshilfe des Bundes – KommInvestFördG (KiFöG), Flüchtlings-KdU)

Aber: Beste Bundeszahlung und Mehrleistung des Bundes bringt gar nichts, wenn das Land klebrige Finger hat: Aktuelles Beispiel: Bundes-Integrationspauschale: keine Weitergabe der 434 Mio. Euro des Bundes an die Kommunen; verbleiben im Landeshaushalt und fehlen unseren Kommunen

Aber: Einhaltung der Konnexität bei Landesgesetzen? Maßstab bei eigenem Handeln anders
Landesregierung verkennt Grundsatz „wer bestellt bezahlt“! Immer wieder wird versucht, den Grundsatz zum Schutz der Kommunen zu umgehen; Bsp. Vergabegesetz, Inklusion, Hygieneampel,

FAZIT:

  • Insgesamt ist der Antrag fachlich betrachtet eine Nebelkerze: In den letzten 7 Jahren Rot-Grün, bzw. bei der SPD in 50 Regierungsjahren sind die möglichen Hebel nicht angesetzt worden – daher ist der Antrag jetzt unglaubwürdig
  • Statt Show-Anträgen: wäre ehrliche Bestandsaufnahme, echte Einhaltung der Konnexität, Standardüberprüfung und Aufgabendiskussion notwendig! Dem verweigern Sie sich – daher kann man nur feststellen: Ihr Antrag ist darauf angelegt, die Menschen im Land zu blenden und von eigenen Versäumnissen abzulenken

Entschließungsantrag von CDU und FDP vom 15.02.2017: Einseitiger Verweis auf den Bund greift viel zu kurz: Rot-Grün muss endlich auch der eigenen Verantwortung für eine faire Gemeindefinanzierung gerecht werden