14 Nov Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt
Mit einer würdevollen Gedenkfeier haben wir am Volkstrauertag in Rietberg an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert. Die Schützengilde St. Hubertus Rietberg hatte gemeinsam mit der Stadt zu der Gedenkveranstaltung am Ehrenmal eingeladen. Vor weiteren Ehrengästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft sowie den Mitgliedern der Gilde, der Grafschaftler Karnevalsgesellschaft, der Freiwilligen Feuerwehr und weiterer Vereine habe ich (auszugsweise) folgende Worte gesprochen und um eine aktive Kultur des Gedenkens für unsere nachfolgenden Generationen geworben:
Der Volkstrauertag ist ein Tag, der verbunden ist mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte mit Millionen von Toten, für das auch alle zukünftigen Generationen Verantwortung tragen: nämlich durch Erinnerung. Und damit durch Veranstaltungen wie diese, durch eine authentische und aufrüttelnde mediale Berichterstattung und auch dadurch, dass wir gemeinsam bereit sind zum Gedenken, zum Zusammensein und damit zum „Farbe bekennen“
Mit ihrer menschenverachtenden Ideologie, mit Rassenwahn und Menschenhass befeuerten die Nationalsozialisten eine Tötungsmaschinerie, die Europa und die Welt in den Abgrund trieb. Gewalt und Opfer, sind leider auch Teil unserer heutigen Realität. Daher müssen wir uns bewusst machen, dass der Volkstrauertag nicht in den Dimensionen nationaler Erinnerung verharren darf.
Nicht zuletzt deswegen engagiere ich mich seit Jahren für die Weiterentwicklung der Gedenkstätte Stalag326 in Schloß Holte–Stukenbrock. Die ersten Beschlüsse und Entscheidungen hierzu sind positiv, das war auch in der heimischen Presse zu lesen. Es gibt aber noch sehr viel zu tun, bis wir in Trägerschaft einer geplanten Stiftung tatsächlich eröffnen können.
Aber warum engagiere ich mich dort?
Weil es ist mir ungemein wichtig ist, dass auch unsere Kinder und Enkel in einem Deutschland, in unserem Haus Europa, in Frieden und Freiheit leben können. Weil es mir wichtig ist, dass wir aus der Geschichte lernen und sich Krieg und Gewalt niemals wiederholen dürfen.
Weil unsere Demokratie mit Frieden und Freiheit keinesfalls gottgegeben ist. Sie ist entstanden auf den Trümmern des Krieges und mit Millionen Toten und Verletzten.
Zur Ihrer Sicherung und zum Erhalt demokratischer Werte bedarf es der dauerhaften Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger – also auch Ihrer, auch Deiner Mitwirkung.
Wir brauchen beispielsweise Menschen, die sich mutig einschalten, wenn in ihrem Umfeld Hassparolen aufkommen, Gewalt ausgesprochen oder wenn gegen Juden gehetzt wird.
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Leider werden unsere sogenannten „Zeitzeugen“ immer weniger. Umso mehr brauchen wir eine gute, eine nachhaltige, eine moderne und eine aufrüttelnde Gedenkstättenarbeit, welche diese Funktion mehr denn je übernimmt.
In Schloß Holte–Stukenbrock entsteht nun eine solche moderne Gedenkstätte. Ich habe dort vor vier Jahren eine sogenannte „Steuerungsgruppe“ ins Leben gerufen. In der Gruppe sind, und das war mir sehr wichtig, überparteilich Fraktionen von Stadt, Kreis, Bezirksregierung, LWL, Land, Bund und Europa gemeinsam mit dem dortigen Förderverein der Gedenkstätte sowie Wissenschaftlern unter meiner Leitung versammelt, um das Projekt der Gedenkstätte als Mahnmal der Geschichte für Frieden und Freiheit zu realisieren.
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Vielleicht geht es jetzt Ihnen und Euch wie damals mir. In der Schule und aus Erzählungen habe ich von Krieg, Vertreibung und Flucht gehört, auch und insbesondere über die Konzentrationslager.
Aber das in unmittelbarer Nähe zu meinem, zu unserem Heimatort, von 1941 bis 1945 ebensolche Gräueltaten in einem Stammlager–Stalag326 verübt worden sind, das war mir nicht bewusst. Es lässt mich mit Entsetzen erschauern. Es beschämt und beschäftigt mich.
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Im Oktober vergangenen Jahres haben wir vom Land mit einer würdigen wie aufrüttelnden Gedenkveranstaltung der Befreiung des Lagers durch amerikanische Streitkräfte am 2. April 1945 erinnert. Das was die Befreier damals dort sahen, sprengt wirklich alle grausamen Vorstellungen.
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Jeder Krieg auf der Welt hat weitreichende Folgen mit Vertreibung oder Flucht: Gewalt, Zerstörung und damit einhergehende dauerhafte Perspektivlosigkeit führen zum Verlassen der Heimat – lösen Flucht und Vertreibung aus.
Und dabei können und dürfen wir nicht wegschauen, getreu dem Motto: „Was geht uns ein Krieg in Syrien, in Libyen, in Afrika oder wo auch immer auf der Welt an?“
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So haben auch deutsche Kriegsgefangene entsetzliches Leid, Tod oder Verletzung erfahren. Ebenso grausam erging es vielen unschuldigen Vertriebenen und Flüchtlingen. Ich habe vor vielen Jahren an dieser Stelle beispielhaft vom Schicksal der aus Breslau heimatvertriebenen Großmutter und Mutter meiner Frau Monika erzählt…
Was für ein Leid – was für ein Schicksal. Können sich unsere Kinder eigentlich wirklich vorstellen, was es heißt, innerhalb von 24 Stunden Haus und Heimat für immer verlassen zu müssen? Einen Neuanfang als Fremde, als ungebetene Gäste erleben zu müssen – damals wie heute!
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Krieg und Gewalt eskalieren in einer Spirale und bieten niemals Lösungen. Wer leidet und verliert, das sind immer die Bevölkerung und insbesondere unschuldige Kinder. Daher ist Krieg abzulehnen und mit diplomatischen Mitteln möglichst zu verhindern.
Sich für den Frieden zu engagieren, das heißt aber auch: gegen das Vergessen zu arbeiten – und das wird immer wichtiger.
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So erfährt der Volkstrauertag mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Ende des Zweiten Weltkrieges mehr und mehr einen Wandel: Von einem Tag der persönlichen Trauer hin zu einem „Friedensmahntag“, zu dem die Erinnerung und das Gedenken gehören.
Er bietet uns die gute Gelegenheit des Innehaltens – gerade im sogenannten digitalen Zeitalter, in dem die Uhren scheinbar immer schneller gehen.
Wir sollten, nein wir müssen uns diese Zeit nehmen...
Wir können uns unsere Herkunft und unsere Geschichte nicht aussuchen. Aber wir können daran mitwirken, wie unsere Zukunft aussehen soll.
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In Zeiten von aufkeimendem Hass, in Zeiten von zunehmenden Antisemitismus gegen unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind wir, als Nutznießer eines demokratischen Staates geradezu verpflichtet, unsere Stimme zu erheben und sichtbare Zeichen zu setzen.
Sie alle haben mit Ihrer Teilnahme und Mitwirkung – hier und heute – ein Zeichen gesetzt. Daher gilt Ihnen mein aufrichtiger und herzlicher Dank.