Hilfe für die Ukraine

Selten bin ich so bewegt und betroffen gewesen, wie während und nach unserer gemeinsamen Fahrt mit der Ev Kirchengemeinde Rietberg um Pfr Dietrich Fricke mit 3 Transportern und lebenswichtigen medizinischen Hilfsgütern für das Sheptytsky Hospital im westukrainischen Lwiw (Lemberg) am letzten Wochenende.
Ich brauchte diesen zeitlichen Abstand, um schreiben zu können.

Aufgrund meiner damaligen Reisen in der Flüchtlingskrise 2015 nach Lampedusa und Mittelmeer sowie ins weltweit zweitgrößte Flüchtlingscamp Zaatari in Jordanien an der syrischen Grenze fühlte ich mich innerlich auf das zu erwartende Elend vorbereitet.
Aber Krieg in Europa, bei Freunden, so nah vor der eigenen Haustür, ist noch einmal ganz anders. Ich will nicht jeden bewegenden Augenblick wiedergeben. Das würde den Rahmen sprengen.

Beeindruckend positiv ist aber unzweifelhaft die Vielzahl der Hilfstransporte aus ganz Europa, die wir auf der Hinfahrt erkennen können. Niederlande, Italien, Großbritannien, Schweiz, Spanien, Frankreich, die europäische Hilfsbereitschaft ist überwältigend. Wir sieben wechseln uns während der Fahrt mit den drei Transportern ständig ab.
Das zufällige Zusammentreffen auf einem Parkplatz, mit dem „Regierungspräsidenten“ der Region Gardasee ist da eher ein freudvolles Ereignis, dass uns gezeigt hat, wie stark wir gemeinsam sind.

Während der Anreise halte ich Kontakt zu den ukrainischen und poln. Generalkonsulaten, die uns anraten, nicht bis zum Krankenhaus in Lemberg durchzufahren und den Grenzübertritt anstelle Korczowa in Hrebenne durchzuführen. Schließlich bekommen wir das ok, die Grenze von Polen in die Ukraine direkt anzusteuern. Wir vereinbaren eine Übergabe der vom Pastorenehepaar Dietrich und Eva Fricke auf Basis eines Hilferufes des Krankenhauses konkret benötigten und organisierten Hilfsgüter auf einem Parkplatz hinter der Grenze in der Ukraine, es ist zu dem Zeitpunkt stockdunkel.

Unendlich traurig die Erlebnisse vor und hinter der Grenze in der Ukraine. Chaotisch ist das Bild auf der Autobahn; Dutzende kilometerlang stauende Fahrzeuge aus Richtung Kiew und Lemberg, die zur rettenden polnischen (europäischen) Grenze wollen aber stehen, überwiegend mit Frauen und Kindern: Die Blicke und Augen der Menschen in den Fahrzeugen sind flehend, sprechen Bände über das Erlebte.

Ich kann hier nicht über einzelne Begegnungen und Erzählungen schreiben.

Wir treffen Andriy Lohin auf einer Raststätte. Der Leiter des Hospitals ist unendlich dankbar. Er berichtet, dass landesweit mittlerweile 35 Krankenhäuser zerstört sind und er jetzt versuche, von Lemberg aus die Patientenversorgung zu unterstützen. Viele schwer kranke Kinder und Verwundete kommen bei ihm an, er brauche dringend mehr Unterstützung.
Die Versorgung mit lebenserhaltenden Medikamenten sei nicht mehr gesichert. Außerdem seien seine Ärzte und Personal bereit zu bleiben, bräuchten aber die tägliche Nahrung für ihre eigenen Familien, die Bezahlung der 130 Personen wäre nur noch kurzfristig gesichert…

Dann laden wir den mitgebrachten Inhalt von 2 Transportern um in seinen Rettungswagen, 1 Fahrzeug mit Hilfsgütern verbleibt im Krankenhaus in Lemberg.

Während der Rückfahrt nach Polen ist es still. Wir sind dankbar, an der Grenze relativ zügig durchgelassen zu werden. Nach drei Stunden in der Ukraine verlassen wir das Land mit extrem schlechtem Gewissen, viele andere hilflos zurücklassen zu müssen. Einigen Menschen werden die übergebenen Hilfsgüter Leben retten.

Wir fahren einige Stunden zurück bis zu unserer Städtepartnersschaftstadt Glogòwek. Dort haben wir Quartiere, um für 5 Stunden Schlaf zu bekommen.

Unfassbar und schockiert sind wir dann über die Nachricht, dass in den frühen Morgenstunden, quasi kurz nachdem wir die Grenze überquert haben, russische Raketenangriffe etwa 18 km entfernt 35 Menschen das Leben genommen und 134 Personen verletzt haben.

Gestern dann die nächste Hiobsbotschaft der Krankenhäuser in Lemberg, dass sie die Triage für die Kinder einrichten mussten.
Alle Kinder erhalten farbige Aufkleber: Ich zitiere aus den t-online news:
„Ärztinnen und Ärzte in Lwiw (Lemberg) hätten ein Aufklebersystem einrichten müssen, um die Behandlung der Kinder zu koordinieren, berichtete ein Unicef-Sprecher in Genf. Ein grüner Sticker heißt: verletzt, aber ohne dringenden Bedarf. Gelb heißt: muss behandelt werden. Rot heißt: um dieses Kind muss sich sofort gekümmert werden. Es gebe auch schwarze Sticker, sagte der Sprecher: Das Kind lebe noch, aber es könne nicht gerettet werden, und das Krankenhaus sei gezwungen, seine Ressourcen auf andere kleine Patienten zu konzentrieren….“

Ich denke, am kommenden Freitag ergibt sich, im Rahmen der Veranstaltung im Rietberger Bibeldorf ab 17 Uhr noch Gelegenheit über vieles zu sprechen.
Eines ist auf jeden Fall sicher: Die Menschen vor Ort benötigen unsere Hilfe und Unterstützung…
Krieg ist das Grausamste, was sich Völker gegenseitig antun können. Frieden ist so zerbrechlich wie Porzellan.
Die Ukrainerinnen und Ukrainer geben ihr Leben für Freiheit und Frieden in ganz Europa und damit auch für uns.
Sie brauchen unsere Unterstützung, bitte helft mit:

  • indem wir die auf uns in großer Zahl zukommenden ukrainischen Flüchtlinge aufnehmen (ich gehe davon aus, dass es die doppelte bis dreifache Zahl gegenüber 2015 wird)
  • indem wir bislang freien Wohnraum zur Verfügung stellen
  • indem wir Spenden, zum Beispiel auf das Spendenkonto der Ev Kirche Rietberg:
    IBAN DE25 4785 0065 0080 0135 27
    Kennwort: Ukraine
    (Um eine Spendenquittung zu erhalten, muss hinter dem Kennwort die Adresse angefügt werden)

 

„Die Glocke“ hat zu unserem Hilfstransport eine Sonderseite veröffentlicht (mehr dazu)

Das Westfalen-Blatt berichtet ebenfalls (mehr dazu)