Landtag erinnert mit großer Gedenkveranstaltung an die Opfer des Nationalsozialismus

75 Jahre nach der Befreiung des deutschen Konzentrationslagers Auschwitz durch Soldaten der Roten Armee hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen auf Einladung seines Präsidenten André Kuper, mit einer Gedenkveranstaltung an die Opfer des Holocaust erinnert. Etwa 400 Vertreter aus Politik, Staat, Religion und Gesellschaft nahmen hieran teil, das WDR-Fernsehen übertrug die 90 Minuten live, der Mitschnitt ist hier in der Mediathek.

In seiner Ansprache zeigte sich André Kuper tief betroffen: „Mich bewegt, mit welcher Geschlossenheit unser Land in dieser Stunde zusammensteht.“ Im Plenarsaal sprachen außerdem Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie Ministerpräsident Armin Laschet. 

Ehrengast war der aus Düsseldorf stammende Auschwitz-Überlebende Gary Wolff, der eigens mit seinen Enkeln Danielle Wolff Ser und Julian Wolff aus den USA angereist war. Diese gestalteten die Gedenkveranstaltung mit ihrem Beitrag „Unser Opa“ mit. In bewegenden Worten schilderten die Enkel, wie ihre Familienangehörigen im Spätsommer 1944 in Viehwagons eingesperrt und wegtransportiert wurden. Sie kamen „an einen Ort, von dem sie noch nie gehört hatten. Auf den Schildern stand Auschwitz.“ Kaum angekommen, wurden Frauen und Männer getrennt. „Opa sah seine Mutter nie wieder.“

André Kuper bedankte sich bei Gary Wolff, „Sie haben einen besonders schweren Weg hierher, wenn die Bilder und alles damit Verbundene wieder hochkommen in einer Stunde wie dieser. Sie wurden als Kind gemeinsam mit Ihren Eltern deportiert. Ihre Eltern sind in Auschwitz ermordet worden. Danke, dass Sie mit Ihren Enkeln heute bei uns sind und diese Stunde mitgestalten! Das ist ein Zeichen der Versöhnung, für das wir zutiefst dankbar sind.“

Weiter führte der Präsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen aus: „Der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ist nicht irgendein Tag im Kalender unseres Landes oder unserer Geschichte. Er ist und bleibt ein Tag des Gedenkens wie der Befreiung! Dieser Tag ist präsent und er löst etwas in uns aus. Für uns Deutsche führt der Weg in das Morgen allein über die Bereitschaft, sich dem Gestern zu stellen! Auch aus diesem Grunde hat sich das Präsidium des Landtags im Oktober aufgemacht, um die KZ Gedenkstätte Auschwitz und Auschwitz-Birkenau zu besuchen. Wir haben dort Schulklassen aus NRW getroffen, die auch zum Teil heute gekommen sind. 

Es kommt einem Wunder gleich, dass in diesem Parlamentssaal Angehörige von Opfern des Nationalsozialismus, ja, Opfer selbst der Hitler-Tyrannei, heute Seite an Seite sich versammeln mit Nachfahren einer Generation, die unsägliche Schuld und unermessliches Leid über Menschen, Völker und Länder gebracht hat. Auschwitz gehört für alle Zeiten zu einem mahnenden Gedächtnis der Menschheit!

Wir sind aber auch hierher gekommen als Demokraten, bereit und entschlossen, immer wieder neu die Versöhnung zu suchen, Antisemitismus und politischen Chauvinismus zu bekämpfen. Freiheit und Demokratie sind der einzige Weg für eine Zukunft in Menschlichkeit und Frieden. Unsere Geschlossenheit in dieser Stunde unterstreicht unsere Entschlossenheit, jedweder Form von Antisemitismus in unserem Land ohne Wenn und Aber zu wehren!

Es ist keine Leerformel, wenn ich das sage: Jedwede Relativierung, Beschwichtigung oder Verharmlosung des industriellen Massenmordes bedarf eines gesellschaftlichen Aufschreis – nicht nur zu Gedenktagen, sondern immer und jederzeit.

Deshalb hat der Landtag Beschlüsse gefasst zum Umgang mit dem BDS. Deshalb hat der Landtag das Amt für eine Antisemitismusbeauftragte geschaffen. Und deshalb stehen wir nicht nur in ständigem Austausch mit den jüdischen Verbänden in unserem Land, sondern auch in einem freundschaftlichen Miteinander zu den Vertreterinnen und Vertretern dieser Verbände.

Jede Form des Antisemitismus, einer wie auch immer gearteten Judenfeindschaft, wird die ganze Kraft unseres Rechtsstaates auf den Plan rufen! Auch in diesem Sinne ist unser Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Auschwitz, an die nationalsozialistischen Verbrechen insgesamt unsere Verpflichtung und unser Auftrag zugleich.

Ein Auftrag freilich, den jede und jeder von uns erfüllt, der unsere Demokratie verteidigt, der Artikel 1 unserer Verfassung ins Leben zieht, denn meine Damen und Herren, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“!

Bilder: Kai Kitschenberg/Landtag NRW