Landtagskandidat André Kuper im großen Interview

ninaRietberg. Als erste heimische Tageszeitung führte „Die Glocke“ ein ausführliches Interview mit dem Landtagskandidaten André Kuper. Der entsprechende Artikel von Redakteurin Nina Tiemann ist am heutigen Samstag, 14. April, in der Ausgabe Rheda-Wiedenbrück in Auszügen erschienen. Nachstehend der ausführliche Interviewtext.

  1. Die Entscheidung für die Landtags-Kandidatur mussten Sie  quasi über Nacht fällen. Wie schwer ist Ihnen dieser Entschluss gefallen?

Dass mir dieser Entschluss nicht leicht gefallen ist, das werden alle wissen, die mich kennen. Rietberg ist meine Heimatstadt und ich habe unglaublich gerne für die Menschen hier gearbeitet. Die Stadt, für die ich mich, auch und vor allem zusammen mit meiner Frau 15 Jahre lang weit über alle Maßen eingesetzt habe. Hier ist viel Herzblut in die Stadtentwicklung und in unsere Vereine geflossen und ich glaube sagen zu können, dass ich eine ganze Menge habe bewegen können.
Natürlich fallen der Öffentlichkeit immer sofort Projekte wie die überaus erfolgreiche NRW-Landesgartenschau 2008 oder aktuell der Klimapark ein. Aber es sind eigentlich viel mehr Dinge, die in Fluss geraten sind, viele Mosaiksteine, die diese 15 Jahre zu einem Ganzen formen.

Den Start machte bereits 1998 die Einrichtung des Bürgerbüros, heute für die Menschen eine Selbstverständlichkeit. Auch für die Bürgerstiftung habe ich mir seinerzeit, 2003, sprichwörtlich die Hacken abgerannt und heute sind wir eine der wirksamsten und größten Bürgerstiftungen in NRW.

Die LGS seinerzeit hat  uns auch nicht nur diesen wunderschönen Park mit seinen Naherholungsflächen und Spielplätzen gebracht, sondern war schon im Vorfeld, ein Meilenstein für die verkehrliche Erschließung mit Radwegen (insbesondere in Druffel, Neuenkirchen, Westerwiehe und Rietberg) und den Kreisverkehren, Straßen und Plätzen. Und aus der Zeit sind auch Erlebnisse im Kopf, wie damals die zuvor schier unmöglichen Verhandlungen mit dem Generalvikariat doch positiv abzuschließen und damit den Klostergarten zu kaufen und die Basis für das Kunsthaus und das Museum Dr. Wilfried Koch zu schaffen. Aber auch wichtige Schritte zur Verbesserung des Hochwasserschutzes fallen in die Zeit.
In meiner Amtszeit sind wir für die beste Wirtschaftsförderung in OWL mit dem Wanderpreis der „Goldenen Dampfwalze“ durch die IHK/IHC ausgezeichnet worden, wir haben erst die silberne und dann die goldenen Medaille von „Entente Florale“ erhalten. Aktuell realisieren wir nach dem Gewinn des BMBF-Bundeswettbewerbes das LED-Forschungsprojekt „Kommunen im neuen Licht“ mit allein 1,8 Mio. Euro Bundesmitteln zur Umstellung der Straßen- und Objektbeleuchtung auf hochmoderne effizente LED-Technologie.  Mein verstärktes Augenmerk galt in der Zeit dem Klimaschutz mit unserer selbst auferlegten Verpflichtung zur energieautarken Kommune, und die Stadtteilentwicklung, auch durch sogenannte Dorfentwicklungskonzepte und Dorfplätze in Westerwiehe oder Bokel. Wir entwickelten das Umfeld des Mastholter Sees mit dem wunderschönen Rad-/Gehweg und wurden staatlich anerkannter Erholungsort, von der DEKRA zertifiziert und als anerkannter Wohlfühlort ausgezeichnet. Wir wurden fahrradfreundliche Stadt, haben einen funktionierenden und kreativen Stadtmarketingprozess in Gang gebracht, haben den Strukturwandel in der Möbelindustrie aufgefangen und durch Gewerbeansiedlungen in den vergangenen sechs Jahren 1000 zusätzliche Arbeisplätze geschaffen.

Und so gibt es viele weitere Beispiele, an die ich vor meiner endgültigen Entscheidung natürlich auch gedacht habe. Zum Beispiel auch Menschen, die uns in den letzten Jahren sehr wichtig geworden sind im täglichen Miteinander.

Sicher kam mir zugute, dass wir, als die Frage der Landtagskandidatur so kurzfristig spruchreif geworden ist, gerade einige Erholungstage in Ägypten verbrachten. Es gab also abseits der sonst täglichen Verpflichtungen, Gespräche und Termine zeitlichen Raum. Wenn auch nur wenige, aber immerhin freie Stunden, sich das Ganze durch den Kopf gehen zu lassen und im Gespräch mit meiner Frau Monika sowie mittels E-Mail-Kontakt mit einigen wenigen guten Freunden dann fernab Rietbergs das Für und Wider abzuwägen. Es war natürlich eine sehr emotionale Phase, denn vor einer solchen Entscheidung steht auch der Blick zurück auf Geleistetes und der Blick nach vorn, was es noch zu tun gibt oder geben könnte. Aber mit meinem Einzug in den Landtag wäre ich ja nicht weg aus meiner Heimat. Mein Wirkungskreis würde sich auf die schönen Nachbarstädte Langenberg, Rheda-Wiedenbrück, Schloß Holte-Stukenbrock und Verl erweitern, was für mich eine sehr reizvolle Aufgabe darstellt.

Wir bleiben hier wohnen und es gibt durchaus noch Funktionen die ich auch weiter ausführen möchte, einfach weil sie mir so viel bedeuten und ein gutes Vorbild für den so wichtigen ehrenamtlichen Einsatz darstellen. 

2. Was waren die ausschlaggebenden Argumente gegen das Bürgermeister-Amt und für die Kandidatur?

Argumente gegen das Bürgermeister Amt und für die Kandidatur? So kann man das eigentlich nicht sehen. Das war keine Matheaufgabe.
Es war eine Entscheidung für die Kandidatur, für Düsseldorf weil das Pro für den Landtag überwogen hat. Nein, ich habe positiv abgewogen, wo kann ich für die Menschen in unseren Wahlkreisstädten Langenberg, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg, Schloß Holte-Stukenbrock und Verl in der jetzigen Situation mehr erreichen, etwas tun, meine Lebenserfahrung und meine Kompetenz einbringen, damit es in unserer Region dauerhaft und langfristig weiter gut geht. Denn den Kommunen geht es nicht etwa schlecht, weil sie schlecht wirtschaften, weil finanzielle Probleme hausgemacht sind, sondern weil die Schuldenpolitik des Landes die Kommunen mit in den Abgrund reißt.

Ich habe zudem schon länger durch meine Tätigkeit im Städte- und Gemeindebund (sowohl als Vorsitzender des Ausschusses für Finanzen und Kommunalwirtschaft in NRW, als auch als Vorsitzender für den deutschen Verband in Berlin und damit Interessensvertreter für rund 11.000 Kommunen) überlegt, wo ich mich einbringen kann, um mehr für die kommunale Familie und damit letztlich die Menschen in unseren Städten zu wirken. Und so verstehe ich diese Möglichkeit als große Chance. Ich bin 51 Jahre alt und habe jede Menge Erfahrung. Ich kenne das globale Ganze durch das Engagement im DStGB. Ich kenne aber auch die Probleme des ländlichen Raumes aus ganz eigener praktischer Erfahrung. Das ist eine wichtige Basis für meine eventuelle künftige Arbeit in Düsseldorf, in der ich mich natürlich wieder mit ganzer Kraft für meinen Wahlkreis einsetzen werde.

3. Die finanzielle Situation der Stadt ist bekannt. Wie frustrierend ist es für Sie in den letzten Monaten gewesen, keinen Handlungsspielraum mehr zu haben und hat diese Situation Ihren Entschluss für die Kandidatur beeinflusst?

Da möchte ich zunächst entschieden sagen: Die finanzielle Situation unserer Stadt ist im bundesweiten Vergleich besser, als sie geredet wird. Viele Informationen sind einfach nicht bekannt. Wer weiß beispielsweise, dass wir bereits seit 2008 keine Schulden gemacht, sondern deutlich Schulden abgebaut haben? Wer weiß, dass wir in Rietberg lediglich 1/5 des Durchschnitts- oder Normalwertes der Kommunen bei der pro-Kopf-Verschuldung in NRW haben? Wer kennt unsere Eröffnungsbilanz, die mit einer Eigenkapitalquote von 86 % viele andere Kommunen und Wirtschaftsunternehmen fast neidisch macht? Das wir beispielsweise zu den 66 (von insgesamt 396) besten Kommunen im Land zählen und deshalb nach Rot-Grünen Plänen ab übernächstem Jahr jährlich Millionen aus unserem Stadtsäckel an die überschuldeten Großstädte abgeben sollen, denen damit aber nicht wirklich helfen?

Unser Problem sind nicht die Eckwerte, sondern stärkere laufende Ausgabenbelastungen durch vom Land übertragene Pflichtaufgaben sowie die explodierenden Sozialausgaben, als uns laufende Einnahmen zur Verfügung stehen.
Also, die Finanzsituation hat meine Entscheidung insofern nicht beeinflusst, als das ich sage: Nun ist kein Geld mehr für große Investitionen da, nun gehe ich, da ich nur große Projekte realisiere. Ich glaube, da habe ich in der Vergangenheit anderes bewiesen. Allein die Schaffung von 1.000 Arbeitsplätzen und damit fair bezahlte Arbeit für Familien als Existenzgrundlage ist eine Hausnummer. Gerade die Herausforderungen aus nichts oder wenig etwas zu machen, haben mich immer besonders angespornt. Siehe den Klimapark, der zu über 90 % durch die Projektpartner finanziert worden ist.

Jeden engagierten Bürgermeister einer Kommune in der Situation Rietbergs, und in dieser Situation sind in NRW mittlerweile über 90 Prozent der Städte und Gemeinden, treibt es natürlich auf die sprichwörtliche Palme, wenn Handlungsspielräume sich beschränken auf Sparen, Sparen, Sparen. Wenn man engagierte Bürger, also Vereine enttäuschen, freiwillige Leistungen zurückfahren muss bis zum nicht nur sprichwörtlichen „Gehtnichtmehr“. Es ist doch so, dass die Kommunalpolitik allgemein diese schmerzlichen Entscheidungen treffen muss, die in manchen Orten dazu führen, dass Schwimmbäder und Bibliotheken geschlossen werden müssen. Der Bürgermeister hat das aber öffentlich zu vertreten. Und das, obwohl vor Ort kein Ratsvertreter, kein Bürgermeister etwas für die desolate Haushaltslage kann.

Und eben hier habe ich, davon gehe ich aus, Kraft meiner Erfahrung im DStGB den Ansatz etwas zu bewirken. Es muss ein Umdenken einsetzen im Land, es muss klar werden, wer bestellt muss bezahlen. Wenn das Land zwar populärwirksame Entscheidungen in der rot-grünen Regierung trifft, aber gleichzeitig viele Kommunen in eine Handlungsunfähigkeit treiben lässt, die jeder Bürger schmerzlich spürt, dann muss hier sofort ein Veto eingelegt werden. Die Schuldenpolitik muss gestoppt werden. Und Lösungsansätze können nur von praxiserfahrenen Fachleuten kommen. Ich verstehe mich als engagierten Mittler für die fünf Kommunen in meinem Wahlkreis. Als Mittler, der genug Erfahrung einbringt um mit Beharrlichkeit den Finger auch mal in die Wunde zu legen. 

4. Sollten Sie im Mai gewählt werden, muss innerhalb von sechs Monaten ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Wie ist für Sie die Vorstellung, dass jemand anderes Ihren Posten übernimmt und Sie nicht mehr für Rietberg verantwortlich sind? Wie schwer wird es Ihnen fallen, loszulassen?

Wie schmerzlich das genau sein wird, werde ich natürlich erst dann sagen können, wenn der Tag da sein sollte und wir, meine Frau und ich das erleben. Allerdings ist es der Lauf der Dinge und des Lebens. Letztlich ist niemand unersetzlich, egal wie und egal mit wie viel Kraft und Herzblut er sich eingebracht hat. Es gibt immer einen Nachfolger in der beruflichen Welt. Das ist wie der Verlauf der Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst, Winter. Einfach ein Kreislauf im Fluss der Natur und des menschlichen Seins. Einer geht, ein anderer kommt. Aber das Wichtigste für mich ist, dass ich immer und an jedem Tag mit gutem Gewissen in den Spiegel sehen konnte, dass ich mich und wir uns immer und mit besten Wissen für die Menschen eingesetzt habe. Natürlich ist es für einen Bürgermeister, einen Vereinsvorsitzenden oder einen Ruheständler  immer schön zu hören: „er/sie“ hat große Fußspuren hinterlassen“, aber man muss das einfach mal realistisch sehen. Alles hat seine Zeit, und wenn diese vorbei ist, dann muss jemand anderer die Chance bekommen Akzente zu setzen. Das muss jeder, der ein Amt jedweder Art aufgibt nicht nur akzeptieren sondern auch verinnerlichen. Alles andere wäre kontraproduktiv.
Und angesichts des Aufgabenberges in Düsseldorf wird für lange Wehmut keine Zeit sein. Und wenn es am 13. Mai, übrigens dem Geburtstag meiner Frau, zu einer Wahl kommt, dann werde ich mit großem Schwung und Elan in ein neues Aufgabengebiet gehen. Rückbesinnung wird es bestimmt geben, und auch viele, viele Augenblicke, die beeindruckend waren werden uns in Erinnerung kommen. Aber ich betone, es hängt an den Menschen, nicht am Amt des Bürgermeisters. Und für diese Menschen bin ich nicht nur weiterhin beruflich da, sondern wie schon erwähnt, wir bleiben hier und der Kreis der Menschen erweitert sich. Und ich würde für den Wahlkreis Ansprechpartner sein für alle großen und kleinen Sorgen.

5. Wird Dieter Nowak die Stellvertretung übernehmen bis es einen neuen BM gibt?

Sollte ich für den 13. Mai die Wähler überzeugen können und direkt in den Landtag einziehen, dann wird automatisch mein Beigeordneter Dieter Nowak als Allgemeiner Vertreter den Aufgabenbereich der Leitung der Stadtverwaltung ausführen. Repräsentative Aufgaben des hauptamtlichen Bürgermeisters sowie die Leitung der Ratssitzungen obliegen dem bzw. den stellvertretenden Bürgermeistern.

6. Für welchen Zeitraum wird Ihr Nachfolger gewählt? Bis 2015 oder gleich bis 2021?

Der neue Bürgermeister wird auf die Dauer von sechs Jahren gewählt (s. § 65 GO NRW)