10 Mai Neue Westfälische: Zu wenig Geld für Sanierung: NRW bleibt Schlaglochland
In diesem Jahr fließen 100 Millionen in die Erneuerung / Bedarf deutlich höher
VON MATTHIAS BUNGEROTH
Bielefeld. Verkehrsteilnehmer werden sich an Schlaglöcher im nordrhein-westfälischen Straßennetz gewöhnen müssen. Das sagt Verkehrsexperte Michael Schreckenberg, Lehrstuhlinhaber an der Universität Duisburg-Essen. Dass das Land in diesem Jahr 100 Millionen Euro in die Sanierung des 12.900 Kilometer langen Netzes der Landesstraßen stecken will, bezeichnet der Professor als „Tropfen auf den heißen Stein“.
Auch Politiker aus Ostwestfalen-Lippe bezeichnen den Investitionsaufwand des Landes für die Sanierung der landeseigenen Straßen als unzureichend. „Für die Landesregierung hat der Straßenbau beziehungsweise die Straßenunterhaltung keine Priorität“, sagte André Kuper, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion aus Rietberg, auf Anfrage dieser Zeitung.
„Die Gesamtmittel für den Landesstraßenbereich sind von 141 Millionen Euro 2011 auf jetzt 137 Millionen Euro (37 Millionen für den Neubau und 100 Millionen für den Erhalt) gesenkt worden, während in der gleichen Zeit die Gesamtausgaben im Landeshaushalt im Durchschnitt um 20 Prozent erhöht wurden“, unterstreicht Kuper. In OWL komme von der Gesamtsumme kaum Geld an. Die Summe reiche „nicht einmal aus, den Straßenzustand in OWL auf heutigem schlechtem Niveau zu halten“, so Kuper.
„Der Zustand der Landesstraßen hat sich in unserer Region in den letzten Jahren deutlich sichtbar und spürbar verschlechtert“, kritisiert der CDU-Politiker. „Wenn wir dem Substanzverlust begegnen wollen, muss das Land da eine Schippe drauflegen“, sagt Kai Abruszat, FDP-Landtagsabgeordneter und Verkehrsexperte aus Porta Westfalica. „Der Verkehrsträger Straße hat in OWL eine noch größere Bedeutung“, fügt Abruszat mit Blick auf die Ballungsräume an Rhein und Ruhr hinzu, die über einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr verfügten.
„Dass gerade auch der ländliche Raum ein intaktes Straßennetz benötigt, wird von uns nicht in Abrede gestellt“, sagt dazu Bernhard Meier, Sprecher des NRW-Verkehrsministeriums. Die Verkehrspolitik des Landes trage dem Rechnung. Meier verweist darauf, dass die Aufwendungen des Landes für die Straßenerneuerung seit dem Jahr 2011 von 88,1 Millionen Euro kontinuierlich auf jetzt 100 Millionen Euro gesteigert worden seien. „Wir erwarten, dass die Ist-Ausgaben wie in den Vorjahren wieder über dem Ansatz liegen werden“, so Meier. Gleichwohl räumt er ein, dass im Verkehrsausschuss gesagt worden sei, dass mit diesem Investitionsvolumen der Substanzverlust bei den Landesstraßen „noch nicht vollständig gestoppt werden“ könne. Der enorme Verschleiß bedeute, dass ständig ein Teil des Straßennetzes „erneuerungsbedürftig beziehungsweise in der Sanierung ist“.
Schreckenberg beziffert den zusätzlichen Sanierungsbedarf für die Verkehrsinfrastruktur in NRW auf mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr. Dabei entfallen die größten Anteile – geschätzt 650 Millionen Euro pro Jahr – auf die Brücken. Hinzu kommen die Aufwendungen für die kommunalen Straßen. Deren Zustand ist nach Angaben von Schreckenberg „deutlich katastrophaler“ als die der Landesstraßen: „Man läuft dem Zustand hinterher.“
Leitartikel in der Neuen Westfälischen von Samstag, 09. Mai 2015