75 Jahre Ende des II. Weltkriegs – Landtagspräsident André Kuper hält Gedenkrede

Landtagspräsident André Kuper bat nach seiner Rede zu Beginn der Plenarsitzung am letzten Donnerstag (30.04.) die Abgeordneten um eine Gedenkminute für die Opfer des Krieges.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

unsere Tagesordnung gestern und auch heute führt es uns vor Augen: Die Corona-Pandemie erfordert auch die ganze Aufmerksamkeit dieses Parlaments.

Gerade in einer solchen Situation erscheint es aber auch wichtig, dass wir nicht vergessen, was die Menschen, ja, was die Welt in diesen Tagen auch bewegt: Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg.

Zwar gilt der 8. Mai als offizieller Tag des Kriegsendes, aber wir wissen, dass seit Januar 1945 die Kampfhandlungen im Westen Deutschlands – z.T. unter fürchterlichen Opfern – nach und endeten. In Aachen schon im Herbst 1944. In Köln im März 1945 (6.3.). In Düsseldorf Mitte April 1945. Das Kriegsgefangenenstammlager (Stalag) 326 in Schloß Holte-Stukenbrock wurde Anfang April 1945 von amerikanischen Einheiten befreit. Im Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Dieses Haus hat daran in einer Gedenkstunde vor drei Monaten erinnert. Am vergangenen Sonntag jährte sich der Tag zum 75. Mal, an dem russische und amerikanische Soldaten sich in Torgau an der Elbe einander die Hände reichten.

Es ist uns im Landtag Nordrhein Westfalen derzeit nicht möglich, eine Gedenkfeier aus Anlass des 75. Jahrestages des Kriegsendes abzuhalten. Und doch dürfen wir diesen Jahrestag nicht einfach übergehen.

Es war Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der in seiner Rede am 8. Mai 1985, also vor nunmehr 35 Jahren, zum ersten Mal den Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges als „Tag der Befreiung“ bezeichnet hat; der Befreiung

  • von nationalsozialistischer Willkür
  • von ideologischer Bevormundung und Irreführung
  • der Befreiung der Konzentrationslager
  • von Bombenhagel
  • und vom Dahingemetzeltwerden an der Front.

Wir wissen, meine Damen und Herren, dass mit dem Ende des Krieges für viele Menschen, auch für unzählige Deutsche, das Leiden nicht zu Ende war,

  • weil die Bedingungen in der Kriegsgefangenschaft immer wieder menschenunwürdig waren;
  • weil Flucht und Vertreibung aus dem Osten mit neuem Leid, neuer Gewalt und auch mit Tod verbunden waren.
  • Weil Deutschland durch einen Eisernen Vorhang 40 Jahre lang geteilt werden sollte.

Und doch spüren wir heute, wie mutig diese Rede des damaligen Bundespräsidenten war, weil sie dieses Wort trotz allen Abwägens enthielt: „Befreiung“.

Daran meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen ist es mir wichtig zu erinnern in unserer letzten Plenarsitzung vor dem 8. Mai.

Es ist mir wichtig daran zu erinnern, auch wenn unser Land und seine Menschen, wenn Europa, ja die ganze Welt in diesen Tagen und Wochen eine, wenn auch ganz anders geartete und mit den Ursachen und Folgen des Krieges nicht zu vergleichende, schwere Wirklichkeit auszuhalten hat.

Wir Deutsche werden nicht vergessen, von wem das Leid ausgegangen ist, das im Zweiten Weltkrieg

über die Völker und Menschen gekommen ist!

Wir werden auch die Widerstandskämpfer nicht vergessen, die versucht haben, das Böse zu überwinden.

Und vor allem werden wir nicht vergessen, welche Chance unser Land durch seine Verfassung, durch das Grundgesetz mit seiner Befreiung erhielt: Die Chance einer Demokratie!

Ebenso wenig werden wir vergessen, wer unser Land befreit hat vom nationalsozialistischen Terror. Es waren auch die, die unser Bundesland Nordrhein-Westfalen gegründet haben. Wir werden zu den Menschen in Großbritannien immer eine besondere Beziehung haben.

Unser Vaterland stand in seiner Geschichte vor vielen schweren Herausforderungen. Wir haben sie nur in der Gemeinschaft mit anderen Völkern und Staaten, vornehmlich Europas und Amerikas, gemeistert. Und wir werden kommende Krisen ebenso meistern. Wiederum am besten in der Gemeinschaft unserer Freunde und Verbündeten.

Das sage ich auch im Bewusstsein der 70. Wiederkehr des Jahrestages, an dem der französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950, nur fünf Jahre nach Kriegsende, in seiner Rede eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorschlug: Das war der Anfang eines vereinten Europas!

Meine Damen und Herren,

vor 75 Jahren, im April 1945, endete der Zweite Weltkrieg hier, wo heute Nordrhein-Westfalen ist. Durch ihn sind unendliches Leid und Schmerz über Menschen und Völker gebracht worden.

Millionen und Abermillionen haben ihr Leben gelassen:

  • Frauen, Kinder und Alte;
  • Soldaten und Zivilisten;
  • ein Großteil der Juden in Europa,
  • politisch und rassisch Verfolgte und viele andere.

Zu ihrem Gedenken und in der Absicht des Friedens bitte ich Sie darum, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

Unser Land ist der Freiheit verpflichtet!