Offener Brief an die Ministerpräsidentin in Sachen Nationalpark

Die direkt gewählten CDU-Abgeordneten Volker Jung, André Kuper und Daniel Sieveke haben in einem offenen Brief an die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geschrieben:

Teutoburger Wald und Eggegebirge als Naturpark erhalten – Mehrheitswillen der Bevölkerung anerkennen – Keine Umsetzung der Nationalparkpläne

 Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

im Frühjahr dieses Jahres erregte eine breite Protestbewegung die deutsche Öffentlichkeit. Unter einem Aufbegehren der Netzgemeinde stimmten 61.305 Personen für eine Petition zur Aussetzung der Ratifizierung des Anti-Piraterie-Abkommens ACTA. Die Bewegung erreichte so dessen Thematisierung im Bundestag. Danach war die Unterzeichnung des Acta-Abkommens durch die Bundesregierung vom Tisch.

Frau Ministerpräsidentin, in Kürze erhalten Sie 33.000 Unterschriften gegen eine Ausweisung des Naturparks Teutoburger Wald/Eggegebirge als Nationalpark. 33.000 Menschen haben öffentlich ihrem Ärger über ein Projekt Luft gemacht, das nicht etwa wie „ ACTA“ bundesweit und international greift, sondern eine kleine Region in Ostwestfalen-Lippe betrifft. 33.000 Menschen, das entspricht der Bevölkerung einer gesamten Mittelstadt.

Als direkt gewählte Landtagsabgeordnete fühlen wir uns dieser politischen Protestbewegung verpflichtet. Die Bürger der Region lehnen einen Nationalpark mehrheitlich ab. In einer Reihe von Demonstrationen gingen Tausende auf die Straße. Die von der Gebietskulisse betroffenen Menschen befürchten drastische Einschnitte bei der Bewirtschaftung der Wälder, beim Wandern und Radfahren, bei der Jagd und der Fischerei. Diese Sorge ist begründet: In einem Nationalpark soll sich die Natur ohne Beeinträchtigung durch den Menschen entwickeln. Kommt es zum Nationalpark, werden in den Kernzonen Forstwirtschafts- und Wanderwege gesperrt, Spaziergänger würden von „Rangern“ durch den Wald begleitet.

Kurzum: Ihre Freiheit würde eingeschränkt. Viele Menschen bangen seitdem um ihre Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Region. Ostwestfalen-Lippe ist eine europaweit beispiellose Hochburg der Holzindustrie. Durch die Ausweisung als Nationalpark drohen den Unternehmen viele Millionen Euro Umsatz verloren zu gehen, was die Region stark schwächen würde. Ein Nationalpark würde vor allem Laubholz knapp und teuer machen. Einer Umfrage der IHK zufolge fühlen sich 77 von 160 befragten Unternehmen durch einen möglichen Nationalpark bedroht. Selbst wenn sich die erhofften Zuwächse beim Tourismus tatsächlich erfüllen sollten, würden die wirtschaftlichen Verluste überwiegen, sowohl beim Umsatz als auch bei den Arbeitsplätzen. Dazu kommen die ökonomischen Verluste durch Verdrängung der militärischen Streitkräfte in der Senne. Angesichts einer erdrückenden Schuldenlast können nur die wenigsten Bürger Verständnis dafür aufbringen, dass das Land NRW für eine Nationalpark-Gründung langfristig Schulden in Millionenhöhe aufnehmen will.

Die Menschen in OWL sehen schlicht keinen überzeugenden Mehrwert. Selbstverständlich sind auch wir als Naturpark-Befürworter für den Naturschutz. Nur sind wir überzeugt, dass dieser im Naturpark Teutoburger Wald/Eggegebirge bereits umfassend gewährleistet ist. Die zweifellos erhaltenswerte Tier- und Pflanzenwelt ist schon jetzt vorhanden. Auch muss beachtet werden, dass es sich hierbei um Kulturlandschaften handelt, die erst durch die Bewirtschaftung durch den Menschen entstanden ist. Verfehlt wurde aber bisher nicht nur das demokratische Gebot, die Bevölkerung mitzunehmen. Selbst die Politik will mehrheitlich eine Beibehaltung des Naturparks. Drei der vier von der Gebietskulisse betroffenen Kreise (Paderborn, Höxter und Gütersloh) haben sich auf politischer Ebene gegen einen Nationalpark ausgesprochen. Auch die meisten Kommunen haben entsprechende Resolutionen verabschiedet. Nach langer Diskussionsarbeit wurde es sogar verfehlt, die öffentlichen und privaten Eigentümer der angedachten Waldflächen vom Projekt zu überzeugen.

In diesen Diskussionen ist es schließlich auch der Ton, der die Musik macht. In öffentlichen Reden wurde von Umweltminister Johannes Remmel immer betont, ein Nationalpark werde nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt. Kurz nach der Landtagswahl lehnte Herr Remmel eine Bürgerbefragung plötzlich mit Verweis auf das landesweite Wahlergebnis ab. Im Nachhinein erklärte er dieses zur „Bürgerbefragung schlechthin“. Das ist kein zeitgemäßer politischer Stil! Die Menschen in unserer Region stört es, dass wieder einmal in Düsseldorf über ihre Köpfe hinweg politische Entscheidungen getroffen werden, die vor Ort nicht dem Mehrheitswillen entsprechen. Zwar fordern auch SPD und Grüne immerzu Transparenz und Bürgerbeteiligung ein. Für ihre eigenen Projekte scheint das offenkundig nicht zu gelten.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

als direkt gewählte Landtagsvertreter der Menschen in der betroffenen Region fordern wir Sie auf, den Mehrheitswillen der Bevölkerung anzuerkennen. Auch nach langer Debatte konnten die Menschen vor Ort nicht vom Projekt Nationalpark überzeugt werden. Sie wünschen sich eine Beibehaltung als Naturpark, da dieser auf einen Naturschutz mit den Menschen setzt statt ohne sie. Bis dato blieb die angekündigte „enge Bürgerbeteiligung“ ein Lippenbekenntnis. Die Landesregierung muss ihren Worten nun Taten folgen lassen und einer Bürgerbefragung zustimmen. Klar ist, dass sich diese Befragung nur auf die betroffenen Gemeinden beziehen und nicht landesweit durchgeführt werden kann. Es wäre unsinnig,

NRW-weit über eine Frage abstimmen zu lassen, die nur eine kleine Region betrifft. Zunächst ist die Landesregierung aber gefordert, eine belastbare und naturschutzfachlich ausreichende Gebietskulisse vorzustellen. Erst dann verfügen die Bürger der Region über eine ausreichende Entscheidungsbasis.

Zuallererst rufen wir Sie aber dazu auf, die 33.000 Stimmen für den Erhalt des Naturparks ernst zu nehmen. Nach zahlreichen Terminanfragen und Kontaktversuchen durch die Bürgerbewegung „Unser Teutoburger Wald“ wird die Übergabe nun am 21. Juni an Ihren Staatssekretär erfolgen. Wir gehen dennoch auch weiterhin fest davon aus, dass Sie sich zehn Minuten Zeit nehmen werden, um die 33.000 Unterschriften persönlich in Empfang zu nehmen. Für uns ist das eine Frage der persönlichen Wertschätzung der Bürger in Ostwestfalen-Lippe durch die „Landesmutter“ Nordrhein-Westfalens.

 

Mit erwartungsvollen Grüßen

Volker Jung   Andre Kuper   Daniel Sieveke

 

Anlage PDF-Datei: 120616_Offener Brief MP.pdf