Themen der Woche im Landtag NRW 43. Kalenderwoche 2019

  • Gutachter empfiehlt zum jetzigen Zeitpunkt keine Wiedereinführung der Sperrklausel bei Wahlen zu den Gemeinderäten und Kreistagen
  • Land und Stifterverband starten Förderlinie in Höhe von 7,5 Millionen Euro zur Digitalisierung der Hochschullehre
  • Einsatz Künstlicher Intelligenz im Justizvollzug zur Suizidprävention
  • Land fördert nur noch Kunstrasenplätze ohne Kunststoffgranulate
  • IQB-Bildungstrend 2018

 

Gutachter empfiehlt zum jetzigen Zeitpunkt keine Wiedereinführung der Sperrklausel bei Wahlen zu den Gemeinderäten und Kreistagen

Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen hat einen Gutachter beauftragt, vor dem Hintergrund des Urteils des VerfGH NRW und der langjährigen Diskussion um die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit einer Sperrklausel für die Wahlen zu kommunalen Räten und Kreistagen, die Arbeitsweise der Räte und Kreistage mit Blick auf deren Funktionsfähigkeit zu untersuchen.

Bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 wird es eine 2,5-prozentige Sperrklausel für die Wahlen zur Regionalversammlung Ruhr und bei den Wahlen zu den Bezirksvertretungen in den kreisfreien Städten geben. Eine Wiedereinführung der Sperrklausel für die Wahlen zu Stadträten und Kreistagen wird zum jetzigen Zeitpunkt durch ein Gutachten abgelehnt.

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGH NRW ) hatte am 21. November 2017 in sieben Organstreitverfahren jeweils durch Urteil festgestellt, dass sowohl die verfassungsunmittelbare als auch die einfachgesetzliche 2,5-prozentige Sperrklausel für Kommunalwahlen gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verstößt, soweit sie für die Wahlen der Gemeinderäte und Kreistage gilt. Der VerfGH NRW hatte seine Urteile darauf gestützt, dass der Verfassungsgesetzgeber im Jahr 2016 seine Prognose drohender Funktionsstörungen der Gemeinderäte und Kreistage nicht hinreichend begründet habe. Es sei jedoch prinzipiell denkbar, dass der Landtag nach erneuter Befassung auf der Grundlage einer neuen und tragfähigen Begründung an der Sperrklausel festhalte (Pressemitteilung des VerfGH NRW vom 21. November 2017 unter Nummer 9).

 

Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen hat einen Gutachter beauftragt, vor dem Hintergrund des Urteils des VerfGH NRW und der langjährigen Diskussion um die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit einer Sperrklausel für die Wahlen zu kommunalen Räten und Kreistagen, die Arbeitsweise der Räte und Kreistage mit Blick auf deren Funktionsfähigkeit zu untersuchen.

Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die

„[…] aufgezeigten Befunde [..] vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des VerfGH ein differenziertes Bild [zeichnen]. Einerseits kann momentan von verbreiteten Funktionsstörungen im Sinne des VerfGH nicht gesprochen werden. Liegen solche in Ansätzen vor, sind sie meist nicht durch die Abwesenheit der Sperrklausel kausal ableitbar. Insofern kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter der Güterabwägung des VerfGH eine Wiedereinführung einer Sperrklausel wenig erfolgsversprechend ist. […] Sollten nach der Kommunalwahl 2020 tatsächlich verstärkte Funktionsstörungen auftreten und nachgewiesen werden, kann also neu über eine Wiedereinführung der Sperrklausel nachgedacht werden. […]“

Jedoch konstatiert das Gutachten:

„[…] Auf der anderen Seite lassen sich zahlreiche Auswirkungen der Fragmentierung beobachten, die zu einer Mehrbelastung der Verwaltung und der Rats- bzw. Kreistagsmitglieder selbst führen, die zwar nicht die Entscheidungsfähigkeit im Ganzen in Frage stellen, aber das kommunalpolitische Ehrenamt als zunehmend unattraktiv erscheinen lassen. Längere und vermehrte Sitzungen, langwierige Diskussionen, die nicht zu substantiellen Verbesserungen im Ergebnis führen, und überforderte Einzelmandatsträger mögen als „Kosten der Demokratie“ in Kauf genommen werden können. Zu einer höheren Demokratiequalität tragen sie nicht bei.

Die Urteile des VerfGH konzentrieren sich mit der Wahl- und Chancengleichheit auf nur einen Ausschnitt der demokratischen Wirklichkeit, die normativ aber nicht nur das Gewähltwerden(können) sondern auch die gemein-wohlorientierte Mitgestaltung in der kommunalen Selbstverwaltung umfasst. Letztere ist eben kein reiner Parlamentarismus, sondern ist getragen vom Selbstverwaltungsgedanken, mithin der Verantwortungsübernahme der Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwesen. Unter Berücksichtigung alternativer Gütekriterien an lokale Demokratie (vgl. Ladner/Bühlmann 2007) wäre also eine Sperrklausel ein durchaus probates Mittel zur Verbesserung der Demokratiequalität (vgl. Bull 2014; Mehde 2018).

Solange sich die Rechtsprechung aber an der gegenwärtigen Priorisierung orientiert, bleibt als Fazit nur die Empfehlung, eine Wiedereinführung der Sperrklausel momentan nicht anzugehen. […]“

 

Hintergrund:

  • Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat am 21. November 2017 in sieben Organstreitverfahren jeweils durch Urteil festgestellt, dass sowohl die verfassungsunmittelbare als auch die einfachgesetzliche 2,5-Prozent-Sperrklausel für Kommunalwahlen gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Artikel 69 Absatz 1 Satz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 GG) verstößt, soweit sie für die Wahlen der Gemeinderäte und Kreistage gilt.
  • Demgegenüber sei diese Sperrklausel mit dem Verfassungsrecht vereinbar, soweit die Wahlen der Bezirksvertretungen und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr betroffen sind: Die Sperrklausel in Höhe von 2,5 Prozent ist nach dem geltenden Kommunalwahlgesetz nur noch für die Wahl der Bezirksvertretungen und der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr vorgesehen (§§ 33, 46a, 46j KWahlG).
  • Die 2,5-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen war durch das Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften vom 14. Juni 2016 eingefügt worden. Nach dem Wortlaut sollte sie sich auf die Wahlen von Gemeinderäten, Bezirksvertretungen, Kreistagen und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr beziehen.

Land und Stifterverband starten Förderlinie in Höhe von 7,5 Millionen Euro zur Digitalisierung der Hochschullehre

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen schreibt in Kooperation mit dem Stifterverband die Förderlinie Curriculum 4.0.nrw aus. Das Land NRW stellt dafür im Rahmen der landesweiten Digitalisierungsoffensive insgesamt 7,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Ziel der Förderlinie ist es, die Curricula aller Studiengänge an den nordrhein-westfälischen Hochschulen mit Blick auf die Qualifikationsanforderungen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben, weiterzuentwickeln. Mit dem Förderprogramm sollen die Kompetenzentwicklung der Studierenden für die digitale Welt noch stärker in den Fokus gerückt und die Hochschulen bei der Weiterentwicklung der Lehrpläne unterstützt werden. Zudem sollen mit der Förderung die Vernetzung und der Informationsaustausch unter den geförderten Projekten an den Hochschulen unterstützt werden. Der Stifterverband ist für die Organisation dieses Austauschs zuständig.

Die Förderlinie ist auf einen Zeitraum von drei Jahren angelegt. Bewerben können sich alle öffentlich-rechtlichen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen mit Konzepten zur Gestaltung von Hochschulcurricula für die digitale Welt. Diese sollen zum Beispiel darlegen, welche Auswirkungen die digitale Transformation für das Qualifikationsprofil ihrer Absolventinnen und Absolventen hat und welche veränderten oder erweiterten Kompetenzbereiche aufgrund der Digitalisierung in den neu zu entwickelnden Modulen adressiert werden sollen.

Die curriculare Weiterentwicklung von ganzen Studiengängen soll jeweils mit bis zu 300.000 Euro, die Entwicklung von einzelnen oder mehreren, sich aufeinander beziehenden Modulen mit bis zu 100.000 Euro gefördert werden. Interessierte Hochschulen können sich bis zum 13.12.2019 bewerben.

Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.stifterverband.org

Im Rahmen der Digitalisierungsoffensive stellt das Land NRW den Hochschulen bis 2021 jährlich zusätzlich 50 Millionen Euro und danach jeweils 35 Millionen Euro zur Verfügung.

Einsatz Künstlicher Intelligenz im Justizvollzug zur Suizidprävention

Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz soll die Suizidprävention in den Justizvollzugsanstalten verbessert werden. Dafür arbeitet das Land NRW an einem Forschungsprojekt, das in der Bundesrepublik Deutschland einmalig ist.

Bereits im vergangenen Jahr wurden die Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung einer Suizidgefahr weiter intensiviert. Neben der Ernennung von Suizidpräventionsbeauftragten und der Einführung zusätzlicher Screenings zur Erkennung von Suizidgefährdungen soll als weiterer Baustein zur Verbesserung der Suizidprävention zukünftig Künstliche Intelligenz im Justizvollzug genutzt werden. Im Rahmen einer ereignisgesteuerten Videoüberwachung von Gefangenen sollen kritische Situationen in den Hafträumen frühzeitig erkannt werden.

Nach einer europaweiten Ausschreibung des Projekts hat die Zentrale Beschaffungsstelle für den Justizvollzug den Zuschlag an ein sächsisches Unternehmen aus Chemnitz (Fusion Systems GmbH) erteilt. Das Unternehmen soll im ersten Schritt das Forschungsprojekt gemeinsam mit dem Justizvollzug durchführen und eine Software entwickeln.

Bei der ereignisgesteuerten Videoüberwachung sollen auf der Grundlage von Erfahrungen bei der Suizidprävention Situationen erfasst werden, die auf ein geplantes Suizidvorhaben hindeuten. Als relevante Merkmale sind beispielsweise auffällige Verhaltensweisen wie Bewegungsmuster bei einem Strangulationsversuch oder der Einsatz gefährlicher Objekte wie Messer zu nennen. Auf der Grundlage von entsprechendem Expertenwissen erfolgt aus den Situationsbeschreibungen eine Einstufung des Suizidrisikos. Das Assistenzsystem soll die Justizvollzugsbediensteten rechtzeitig alarmieren.

An die Entwicklung des Systems wird sich eine Testphase anschließen. Erweist sich das entwickelte System als hilfreich, sollen zunächst in einem Pilotvorhaben in einer Justizvollzuganstalt suizidgefährdete Gefangene mit Videokameras überwacht werden.

Land fördert nur noch Kunstrasenplätze ohne Kunststoffgranulate

Ungeachtet der Entscheidung der EU-Kommission über die künftige Verwendung von Kunststoffgranulaten als Füllmaterial bei der erstmaligen Herstellung von Kunstrasenplätze fördert das Land NRW künftig die Errichtung von Kunstrasenplätzen nur noch, wenn auf Kunststoffgranulate verzichtet und stattdessen umweltfreundliche Alternativen – etwa Kork oder Quarzsand – verwendet werden. Bei der Erneuerung von Füllmaterialien in Kunstrasenplätzen wird die Verwendung von umweltfreundlichen Füllmaterialien durch die Kommunen bzw. Träger des Kunstrasenplatzes empfohlen.

Auf der Homepage des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sind jetzt Handlungsempfehlungen abrufbar, die Einzelheiten zur Verwendung von Kunststoffgranulaten bei der erstmaligen Herstellung beziehungsweise Erneuerung von Kunstrasenplätzen in Nordrhein-Westfalen beschreiben. Dort werden unter anderem Hinweise auf verschiedene Förderprogramme wiedergegeben.

Kunstrasenplätze sind – besonders in Ballungsräumen – beliebt, weil Sport-Spielflächen häufig knapp sind und eine intensive Nutzung möglich ist. Kunstrasen ist bei Nässe und Kälte wesentlich weniger empfindlich als Natur-Grünflächen, die immer wieder Ruhezeiten benötigen. Da sich Kunstrasen fast rund um die Uhr bespielen lässt, haben viele Vereine – unterstützt vom Land und den Kommunen – häufig auf künstliches Grün umgestellt.

IQB-Bildungstrend 2018

Auf der Kultusministerkonferenz in Berlin wurden die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern vorgestellt. Danach haben sich die Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen insgesamt in allen untersuchten Kompetenzbereichen der Fächer verbessert.

Der IQB-Bildungstrend 2018 untersucht nach 2012 zum zweiten Mal die Kompetenzstände der Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe in den Fächern Mathematik, Biologie, Chemie und Physik im Ländervergleich. Grundlage sind die von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten bundesweit geltenden Bildungsstandards für die Fächer. Im Fach Mathematik hat sich Nordrhein-Westfalen bei den Kompetenzmittelwerten der Schülerinnen und Schüler von Platz 14 auf Platz 9 verbessert. In der Kategorie Fachwissen ist Nordrhein-Westfalen in Biologie von Rang 15 auf Rang 10 geklettert, in Chemie von 15 auf 11 und in Physik von Rang 16 auf Rang 14.

Der IQB-Bildungstrend wird im Auftrag der Länder vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Berlin durchgeführt. In regelmäßigen Abständen werden Ländervergleichsstudien durchgeführt, um Aufschluss darüber zu gewinnen, inwieweit Schülerinnen und Schüler die für alle Bundesländer verbindlichen Bildungsstandards erreichen. In der Primarstufe werden die Erhebungen in den Fächern Deutsch und Mathematik alle fünf Jahre durchgeführt. In der Sekundarstufe I werden abwechselnd die Fächergruppen Deutsch, Englisch und Französisch einerseits sowie Mathematik, Biologie, Chemie und Physik andererseits alle drei Jahre getestet.