WDR-Interview mit André Kuper

 

WDR: Krisen gelten als Stunde der Exekutive, also der Regierung. Wie schwer hat es da die Legislative, also das Parlament?

André Kuper: Landtag und Regierung haben in Nordrhein-Westfalen großen Wert darauf gelegt, dass das Parlament nicht ausgehebelt wird. Wir haben als Landtag Verantwortung übernommen, sowohl für die Demokratie als auch für das Land. Und wir haben in der schlimmsten Zeit wöchentliche Sitzungen und Sondersitzungen gehabt. Gründonnerstag haben wir zum Beispiel getagt und am Dienstag nach Ostern folgte sofort wieder die nächste Sitzung. Es ging um die Sorgen und Nöte der Bürger und da ist es wichtig, dass ein Parlament auch in Krisenzeiten seinen Aufgaben nachkommt.

WDR: Der NRW-Landtag hat einen „Parlamentarischen Krisenstab Pandemie“ eingerichtet. Wer hat da was entschieden?

Kuper: In dem Krisenstab sind die Mitglieder des Präsidiums und die Vertreter der Fraktionen zusammengekommen. Ziel, Sinn und Zweck des Gremiums ist, dafür zu sorgen, dass das Parlament und die Ausschüsse weiterhin tagen können. Hier wurde zum Beispiel besprochen, wie können wir den Parlamentsbetrieb unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelung aufrechterhalten? Wir haben zu Beginn der Pandemie den Vorschlag entwickelt, wir reduzieren die Anzahl der abstimmenden Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten.

WDR: Haben Sie erwogen, die Sitzungen in externe, größere Räume zu verlegen?

Kuper: Es gibt mehrere Möglichkeiten: Die eine ist die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten bei einer Abstimmung. Die zweite ist die Verlagerung in Messe- oder Kongresszentren. Das macht zum Beispiel der Landtag Thüringen so. Dabei haben Sie aber einen Aufwand von 20 bis 25.000 Euro pro Sitzungstag. Zudem wären dort lange Sitzungstage schwierig durchführbar. Mitunter tagt das Plenum von 10 Uhr bis nach 23 Uhr. Wir haben im Landtag alle unsere Mitarbeiter, wir haben unsere Büros, die Besprechungsräume. So etwas haben Sie in einem Messe- oder Kongresszentrum nicht.

Und die dritte Alternative werden wir nach der Sommerpause umsetzen. Einige Landtage, zum Beispiel Schleswig Holstein, aber auch Brandenburg und Niedersachsen sind da ein Vorbild. Wir werden mobile Acrylglas-Trennwände im Plenarsaal und in den beiden größten Ausschuss-Sälen installieren. Damit können wir mit allen Abgeordneten tagen und den Hygiene- und Abstandsgeboten entsprechen.

WDR: Sind die Trennwände fest installiert?

Kuper: Nein, sie werden mit Saugnäpfen aus Gummi auf den Tischen befestigt. Damit sind wir flexibel. In anderen Bundesländern gibt es auch fest installierte Kabinenlösungen. Die kosten circa 250 Euro pro Kabine, unser mobiles System kostet rund 130 Euro pro Kabine.

WDR: Werden Sie auf dem Präsidium auch hinter Acrylglas sitzen?

Kuper: Eine Trennwand zum Rednerpult ist nicht nötig, der Abstand ist groß genug, allerdings werden wir nach rechts und links zu den Schriftführern eine Acrylglas-Konstruktion haben.

WDR: Der Landtag ist ein offenes Haus – auch für die Bürger in NRW. Besuchergruppen erleben Debatten, treffen ihre Parlamentarier. Ist das in der Pandemie möglich?

Kuper: Das ist der Punkt, der mich am meisten schmerzt. Ich bin angetreten als Präsident des Landtages mit dem Wunsch, noch mehr Transparenz herzustellen. Darum habe ich die Besuchsprogramme mit jungen Menschen verstärkt, weil ich glaube: Wir brauchen viel mehr und viel stärker diesen Kontakt mit der parlamentarischen Demokratie. Dann kam die Corona-Pandemie und wir mussten deshalb mehr als 44.000 Besucherinnen und Besuchern absagen. Das tut mir persönlich wirklich weh. Ich vermisse auch die Bürger und Besucher im Landtag.

WDR: Welche Alternativen gibt es?

Kuper: Wir bieten nun viel mehr Online-Formate an. Normalerweise werden ja nur die Sitzungen des Plenums gestreamt. Im Moment werden zusätzlich auch die Ausschuss-Sitzungen gestreamt. Man kann sich dort anmelden und bekommt einen Zugriff. Aber das ersetzt natürlich nicht das Live-Erlebnis im Parlamentsgebäude und die Möglichkeit, den Parlamentsbetrieb hinter den Kulissen kennenzulernen. Darum hoffe ich sehr, dass bald ein Impfstoff oder ein wirksames Medikament gefunden wird und wir das Haus wieder für die Bürgerinnen und Bürger öffnen können.

WDR: Wie lange wird es die Einschränkungen für Besucher noch geben?

Kuper: Wir haben im Krisenstab beschlossen, dass wir bis zum Ende der Herbstferien ohne größere Besuchergruppen auskommen müssen. Ich hoffe, dass danach wieder mehr möglich wird.

Das Gespräch führte Sabine Tenta.

Hier ist der Link zum Interview auf die WDR-Seiten: https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/interview-landtagspraesident-kuper-100.html