Würdevolle Gedenkstunde am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz

Mit einer gemeinsamen Gedenkstunde haben wir im Landtag gemeinsam mit der Landesregierung am Donnerstag dem 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Am 77. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau habe ich im Plenarsaal neben den Abgeordneten und den Mitgliedern der Landesregierung unter anderem auch Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie Vertreter der jüdischen Gemeinden, der Religionsgemeinschaften und weitere Ehrengäste willkommen geheißen.

Ein bewegender Moment war der Vortrag der Zeitzeugin Tamar Dreifuss, die von ihren Erlebnissen und ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten berichtete. In meiner Ansprache zur diesjährigen Holocaustgedenkstunde war es mir wichtig zu betonen, dass es für uns und für jede uns nachfolgende Generation in Deutschland eine niemals endende Pflicht ist, an den Holocaust zu erinnern. Den Antisemitismus aktiv zu bekämpfen und zu verhindern und die Mahnung der Schreckensherrschaft des NS-Regimes anzunehmen, ist das kollektive Vermächtnis der Deutschen.

Eine Video-Aufzeichnung der Gedenkstunde ist auf der Homepage des Landtags ab 02:31:10 zu sehen.

Auszüge aus meine Rede:

Heute vor 77 Jahren befreiten sowjetische Truppen das Konzentrationslager Auschwitz. Es gibt Berichte, über das Grauen, das sich erst den Soldaten und später der ganzen Welt offenbarte. Es ist in der Menschheitsgeschichte ohne Vergleich.

Heute, am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, erinnern wir an die Millionen von Menschen, die von den Nationalsozialisten geschmäht und geschunden, missbraucht, gefoltert und getötet wurden.

Das Erinnern an den Holocaust ist für uns alle, die wir heute in einem demokratischen Deutschland und in einem friedlichen Europa leben dürfen, unverzichtbare Pflicht.

Auch deshalb halten wir es für wichtig und richtig, trotz aller Einschränkungen, die uns die Maßnahmen der Corona Pandemie abverlangen, diese Gedenkstunde sichtbar und wahrnehmbar durchzuführen.

Die Millionen Opfer der NS-Diktatur und die Geschichte unseres Landes verlangen das von uns; unsere Gegenwart und die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder erfordern es.

„Die wundersame Rettung der kleinen Tamar 1944.
Ein jüdisches Mädchen überlebt den Holocaust in Osteuropa.“

So lautet der Titel eines Kinderbuches, das sich altersgerecht mit den Themen Holocaust und Nationalsozialismus befasst.

Geschrieben hat dieses Buch Frau Tamar Dreifuss, die als Mädchen den Holocaust in Litauen überlebte. Heute dürfen wir sie zu unserer Gedenkstunde begrüßen.

Sehr verehrte Frau Dreifuss:
Sie haben lange in Köln und Pulheim gelebt. Jetzt wohnen Sie in München. Seien Sie, Ihre Enkeltochter und Ihre Freundinnen uns von Herzen im Landtag Nordrhein-Westfalen willkommen.

Sie selbst mussten im Kindesalter erfahren, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein, sich verstecken zu müssen, in Todesangst zu leben. Sie haben die Geschichte dieser Flucht, wie Ihre Mutter sie erzählt hat, aus dem Jiddischen ins Deutsche übertragen.

Verehrte, liebe Frau Dreifuss,

Menschen wie Ihnen ist es zu verdanken, dass das Geschehene nicht vergessen wird und dass Aussöhnung trotzdem möglich ist.

Für Ihr Engagement gelten Ihnen unsere große Anerkennung und Respekt. Danke, dass Sie heute unser Gast sind und gleich zu uns zu sprechen.

Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Menschenhass, das müssen wir immer wieder schmerzvoll erfahren, gehören leider nicht der Vergangenheit an.

Ihre Auswüchse sind aktuell, und sie sind höchst gefährlich.

Immer wieder erreichen uns Nachrichten

  • zu antisemitischen Beschimpfungen und Bedrohungen auf der Straße oder im Netz,
  • zur Gewalt gegenüber Menschen jüdischen Glaubens,
  • zu Angriffen auf Synagogen und jüdische Institutionen in unserem Land.

Mich beschämt es, mich widert es an zu sehen:

  • die durch Demonstranten getragenen, gelben Sterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“,
  • jene Parolen, die eine angebliche „Corona-Diktatur“ in Deutschland kritisieren,
  • Plakate in diesem Zusammenhang, die Bezug nehmen auf die Diskriminierung jüdischer Menschen im NS-Regime.

Das alles ist nicht nur verstörend und unerträglich, diese Vergleiche sind geschichtsvergessen.

Sie sind geschmacklos. – Verhältnislos. –

Und vor allem: Sie sind durch nichts zu rechtfertigen.

Wer die Verbrechen der Nationalsozialisten an den europäischen Juden für eigene Zwecke relativiert und instrumentalisiert, der hat den Boden jedweder sachlichen Debatte verlassen.

Wir werden Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Menschenhass in unserer Gesellschaft niemals dulden.

Wir werden die Solidarität mit dem Staat Israel nicht aufgeben.

Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es aller Bürgerinnen und Bürger in unserem Land und in Europa.“

 

Bilder: Schälte/Landtag NRW