Würdevolle Gedenkstunde für die Opfer der Unwetterkatastrophe

Mit einer gemeinsamen Gedenkstunde und einer Schweigeminute haben wir im Landtag NRW gemeinsam mit der Landesregierung der Opfer der Unwetterkatastrophe vom 14. und 15. Juli gedacht. Für die 57 Opfer wurden im Plenarsaal Kerzen entzündet.

Angehörige der Opfer sowie zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter unter anderem von Hilfs-, Rettungs- und Sozialdiensten, Feuerwehr, THW sowie der Bundeswehr waren anwesend; landesweit wehten die Fahnen an öffentlichen Gebäuden auf Halbmast für Trauer. Wir würdigten auch die selbstlose und spontane Hilfsbereitschaft der Menschen, die Fremden im Unglück beiseite standen und Hilfe leisteten. Der Ministerpräsident fand tröstende und ergreifende Worte.

Die Leitende Notärztin schilderte in einer bewegenden Rede ihren schweren Einsatz. Als Präsident des Landtags eröffnete meine Ansprache die Gedenkstunde. Es war mir wichtig zum Ausdruck zu bringen, dass die Opfer nicht vergessen werden und das Leid der Opfer, auch wenn man es nicht ungeschehen machen kann, uns zum neuen Bewusstsein im Katastrophenschutz führen wird.

„Meine Damen und Herren,

wir sind zusammengekommen, um gemeinsam der Menschen zu gedenken, die ihr Leben verloren haben, die tragisch aus dem Leben gerissen wurden bei der Unwetterkatastrophe, die am 14./15. Juli den Westen unseres Landes, Rheinland-Pfalz, Belgien, Teile der Niederlande und Luxemburg heimgesucht hat.

Das Ausmaß übersteigt alles, was wir uns bis dahin in unseren Regionen vorstellen konnten. Starkregen ließ Rinnsale und Bäche zu reißenden Flüssen werden, die Verwüstung, Leid und Menschenleben einforderten. In Ahr, Erft, Lenne, Ruhr und Wupper und viele weitere Orte ergossen sich die Wassermassen. Steigendes Grundwasser drückte zudem auf Häuser und Keller.

Fast die Hälfte der Kommunen aus Nordrhein-Westfalen (176 von 396) waren beziehungsweise sind betroffen und haben immense Schäden gemeldet: Betriebe und Häuser, Höfe und Werkstätten, Sportanlagen und Schulen, Krankenhäuser und Seniorenheime, Kirchen und Friedhöfe, Fußgängerzonen und Straßenzüge, Brücken, Gleise, Bäume, alles zerstört und mitgerissen.

Der Naturgewalt ausgeliefert sein. Nicht zu wissen, welche zerstörerische Kraft das Wasser haben würde. In der Dunkelheit, bei zusammengebrochenem Strom- und Telefonnetz. In Angst und Sorge um Angehörige und Freunde, um Hab und Gut um das eigene Leben. Schlicht in Todesängsten zu sein.

Die Erfahrung, wie sich Schmerz und Leere anfühlen, die der Tod hinterlässt, kennt wohl ein jeder von uns. Wie es aber ist, wenn eine Flutwelle alles unter sich begräbt und mit sich reißt – das können Außenstehende wohl kaum ermessen.

Viele hundert, ja tausend Menschen sind betroffen von dieser Flutkatastrophe. Menschen aus unserem Land starben. Und genau darum sind wir heute zusammengekommen. Genau darum sind heute Angehörige der Verstorbenen zu dieser Gedenkstunde hier, trotz der Tatsache, dass ihr Weg zu dieser Gedenkstunde unendlich schwer ist.

Ich spreche Ihnen im Namen der Abgeordneten des Landtags von Nordrhein-Westfalen, im Namen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes unser tiefempfundenes Beileid und unsere aufrichtige Anteilnahme aus. Ihr Schmerz, Ihre Trauer sind unermesslich. Wird es doch ein „weiter so“ nie mehr geben können.

Aber seien Sie sicher: Sie sind in Ihrer Trauer nicht allein: unser Mitgefühl ist bei Ihnen! Und es ist auch bei den vielen Verletzten und den vielen, die ihr Hab und Gut, die ihr Zuhause verloren haben. Ich kenne Menschen, die sonst eher selten beten, die mir gesagt haben, dass sie die Hände gefaltet haben, weil ihnen nichts anderes mehr möglich schien in ihrer Verzweiflung.

Nach diesen dunklen Momenten gab es Hilfe. Es kamen Hilfs- und Rettungsorganisationen, Bundeswehr, Unternehmer, Privatleute. Es sind viele, zu viele, um sie alle einzeln zu nennen. Aber das, was sie geleistet haben, das bleibt unvergessen.

Einige von ihnen sind heute hierhergekommen und haben in dem Film, der gleich zu sehen ist, versucht auszudrücken, was ihnen wichtig ist, was sie bewegt.

Tief bewegt vom Schicksal der Betroffenen, war es für unfassbar viele Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich zu helfen, zu spenden, tatkräftig anzupacken. Sie haben es selbstlos getan, haben sich Urlaub genommen und noch immer fahren sie in die betroffenen Regionen, um mit anzupacken, auch Kollegen hier aus dem Landtag.

Aber natürlich kommt mit und in diesem Schmerz und bei aller Trauer auch die Frage: Wie konnte das geschehen? Und das beschäftigt uns ebenso in den Landtagen und im deutschen Bundestag.

Unser Parlament wird materielle Hilfen schnellstmöglich auf den Weg bringen, dieses Parlament wird das Geschehene aufarbeiten ­– unabhängig von Wahlterminen. Das ist unser Versprechen!

Für uns ist es wichtig, jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dazu sind wir alle aufgerufen – am besten natürlich im weltweiten Zusammenschluss. Wir verfallen nicht in Resignation und Starre. Wir bleiben der Hoffnung verpflichtet.

Ich danke an dieser Stelle nochmals besonders den Hilfskräften, der Bundeswehr, allen Nachbarn und Freunden, vielen Unternehmen und Landwirten, den Seelsorgern, allen Verantwortlichen in den Kommunen und in den Krisenstäben, den Ärztinnen und Ärzten, den Rettungs- sowie Hilfsorganisationen, den Bürgerinnen und Bürgern aus dem ganzen Land, aus vielen Ländern Europas.

Sie alle haben, zum Teil bis an die Grenze ihrer physischen oder psychischen Erschöpfung, genau dieser Hoffnung, durch Ihre Taten und Ihr Tun, ein Gesicht gegeben. Dafür gebührt ihnen allen unser tiefer Dank.

Ja, diese Katastrophe bleibt leider unauslöschlich im Gedächtnis, aber auch die Hilfe, meine Damen und Herren, wird im Gedächtnis bleiben.

Wenn unser Land und seine Menschen weiter zusammen stehen, wenn wir uns die Hand reichen und helfen, wenn wir zur Tat schreiten, dann werden wir Naturkatastrophen – nein, nicht abstellen oder verhindern können, aber dann sind wir ihnen nicht hilflos ausgeliefert.

Es hat mich bewegt und es macht mich dankbar, wie Menschen in unserem Land füreinander da sind: ohne zu fragen, warum oder wofür, ohne zu fragen, was es bringt, sondern einfach so – aus Mitmenschlichkeit. Das macht Mut in einer so schweren Zeit!

Aber neben diesem Zeichen der Hoffnung, wird auch der Schmerz bei vielen im Gedächtnis bleiben und der Verlust. Seien Sie sicher, unsere Herzen fühlen mit Ihnen allen.

Bevor gleich die Notärztin Frau Dr. Didion, die im Einsatzgebiet tätig war, und der Ministerpräsident Armin Laschet zu uns sprechen werden, wollen wir der Opfer gedenken, die bei der Flutkatastrophe ihr Leben verloren haben.

Ich bitte Sie, soweit Ihnen möglich, sich von Ihren Plätzen zu erheben, um der Opfer der Flut in besonderer Weise und mit Würde zu gedenken.“

Die Übertragung der Gedenkstunde kann auf der Internetseite des NRW-Landtags an dieser Stelle noch einmal angesehen werden.

Bilder: Schälte/Landtag NRW