Zur Kostenentlastung bei der Eingliederungshilfe durch den Bund

Am Mittwoch dieser Sitzungswoche hat sich die CDU-Landtagsfraktion im Plenum mit einem von André Kuper und dem Arbeitskreis Kommunales vorbereiteten Entschließungsantrag zur Kostenentlastung bei der Eingliederungshilfe durch den Bund positioniert (den Antrag finden Sie hier).

Im Plenum hat der Kommunalpolitische Sprecher die Position der CDU-Landtagsfraktion wie folgt dargelegt:

Anrede, wir diskutieren hier und heute über die finanzielle Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben – und hier speziell bei der Eingliederungshilfe für Behinderte. Warum, wird mancher fragen? Weil die notwendigen Hilfeleistungen in der Eingliederungshilfe für Behinderte im Sinne der Betroffenen auch in Zukunft gesichert werden müssen.

Während in anderen Bundesländern die Kosten vom Land getragen werden (z.B. Brandenburg: Kommunaler Anteil: 0, Sachsen-Anhalt: 0, MV 12, NS 24, SH 30, Rh-Pf 50%) lässt das Land NRW hier die Kosten vollständig durch die Kommunen bezahlen. Nicht zuletzt hierdurch haben wir in NRW den höchsten Kommunalisierungsgrad in der Bundesrepublik und damit die stärkste Kostenbelastung der Kommunen.

Von daher verwundert es auch nicht, wenn unsere NRW-Kommunen mit Haushaltsdefiziten und Überschuldung am Ende ihrer finanziellen Möglichkeiten sind.

Und jetzt steigen die Kosten in der Eingliederungshilfe. Warum, wird mancher fragen? Zunächst einmal aufgrund steigender Fallzahlen. Und da muss die menschliche Seite an erste Stelle gesehen werden: Gott sei Dank, meine ich,
ist z.B. der medizinische Fortschritt und die Betreuung im Laufe der Jahrzehnte so hoch und gut verbessert worden, dass Frühgeborene und Menschen mit Behinderung allgemein heute eine deutlich höhere Lebenserwartung haben als früher. Und das ist gut so.

Das damit verbundene Finanzproblem darf allerdings keine kommunale Aufgabe bleiben, sondern ist klar eine gesellschaftspolitische Aufgabe.

Damit deutlich wird, über welche Summen wir hier reden: Allein in NRW steigen die Kosten für diese bislang von den Kommunen über die Landschaftsverbände zu bezahlende Hilfeleistung um jährlich 200 Mio. Euro. Die Gesamtkosten betrugen 2013 bereits 3,5 Mrd. Euro. Solch massive Kostensteigerungen verkraften die Kommunalhaushalte nicht mehr. Folglich ist Abhilfe notwendig.

Und dann stellt sich die Frage, wer soll das bezahlen? Hierauf gibt die Verfassung, bzw. unser Grundgesetz zunächst einmal eine klare Antwort: Die Länder sind für die angemessene Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich.

Und das haben wir auch in unserem Entschließungsantrag deutlich gemacht.

Der Bund wird seiner Verantwortung für die kommunale Familie gerecht und hat bereits sehr viel zur Verbesserung der kommunalen Finanzsituation beigetragen. In der Regierungsverantwortung der CDU, ehemals mit der FDP und heute mit der SPD sind die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit aufsteigend und ab diesem Jahr vollständig übernommen worden. Alleine in diesem Jahr übernimmt der Bund die bislang von den Kommunen zu tragenden Kosten in Höhe von bundesweit 5,5 Mrd. Euro. Dies ist die größte finanzielle Entlastung der Kommunen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Damit wird ein von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2003 zu Lasten der Kommunen eingeführtes Gesetz vollständig korrigiert. Unsere Städte und Gemeinden werden in diesem Jahr mit rd. 1,4 Mrd. Euro entlastet, das ist mehr als das Dreifache dessen, was die rot-grüne Landesregierung mit ihrem Stärkungspakt Stadtfinanzen den Kommunen zur Verfügung stellt.

(Darüber hinaus sind vielfältige Hilfen des Bundes bereitgestellt worden, die in unserem Antrag in Ruhe nachlesbar sind.)

Unsere neue CDU/SPD-Bundesregierung setzt ihren kommunalfreundlichen Kurs zur Entlastung der Städte und Gemeinden fort. So ist der Bund bereit, die Kommunen bei den Kosten der Eingliederungshilfe zu entlasten. Im Rahmen der Reform der Eingliederungshilfe sollen die Städte und Gemeinden gemäß der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes ab 2018 um jährlich 5 Mrd. Euro entlastet werden. Bis zum Inkrafttreten eines neuen, von der SPD-Bundesministerin Nahles vorzulegenden, Leistungsgesetzes wird in den Jahren 2015 bis 2017 eine Soforthilfe von 1 Mrd. Euro für die Kommunen bereitgestellt, d.h. für NRW ca. 220 Mio. Euro p.a..

Das sind gigantische Summen, die über die Formulierung in der Koalitionsvereinbarung verankert worden sind. Allerdings finden sich dort nicht die gewünschten Zusagen einer früheren Auszahlung der Mittel. Von daher fordern wir dahingehend eine Verbesserung.

Wenn Sie unseren Entschließungsantrag gelesen haben, dann werden sie einige tendenziell übereinstimmende Positionierungen zum Rot-Grünen Antrag (16/5486), aber auch abweichende Nuancen finden. Wir stehen übrigens, nach wie vor, zum Beschluss des Landtages aus dem Oktober 2010.

 Wir fordern mit unserem EA die LReg auf,

  1. sich auf Bundesebene weiterhin konsequent für eine Entlastung der Kommunen einzusetzen, wie sie im LT-Beschluss vom 29.10.2010 gefordert wurde.
  2. sich konstruktiv in die Erarbeitung eines Bundesleistungsgesetzes einzubringen und sich im Bund dafür einzusetzen, dass die zuständige SPD-Bundessozialministerin, Andrea Nahles, schnellstmöglich einen GE zur Einführung eines Bundesteilhabegesetzes vorlegt
  3. sich dafür einzusetzen, dass bereits mit Inkrafttreten des BundesteilhabeG die zugesagte finanzielle Entlastung der Kommunen (von 5 Mrd. Euro jährlich) zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingefordert wird. Ziel muss es sein, dass die zuständige Bundessozialministerin so frühzeitig den GE zum BundesteilhabeG einbringt, dass bereits zum Ende der 18. WP des Bundestages im Jahr 2017 das volle Entlastungsvolumen in Höhe von 5 Mrd. Euro zugunsten der Kommunen wirksam wird.

Allerdings können wir einige andere Aussagen, die sich im Antragsentwurf von Rot-Grün finden, so nicht mittragen.

Auf diese Punkte gehe ich jetzt ein.
Punkt 1: Beispielhaft wird im Rot-Grünen Antrag der Stärkungspakt gelobt. Das kann doch nicht war sein. Ich werde nicht müde zu wiederholen:
gut gewollt, aber schlecht gemacht,
vor allem zu kurz gesprungen.
Wie sehr der Stärkungspakt hinter den notwendigen Erwartungen zurückbleibt, mögen Sie daran erkennen, dass Städte, bei denen das Licht finanziell jetzt ausgeht, von dieser Hilfeleistung nicht einmal erfasst sind. Ich meine hier zum Beispiel Mülheim. Nach der zwingend notwendigen Bewertungskorrektur des Wertes des RWE-Aktienpaketes ist die Stadt jetzt neben den tatsächlichen Riesenschulden und Haushaltsfehlbeträgen auch bilanziell überschuldet. Dieser Zustand ist rechtswidrig, wie das MIK noch letzte Woche in der Sitzung des Kopo-A bestätigte. Ein Privatunternehmen wäre jetzt in der Insolvenz. Also ist die Stadt doch extrem hilfebedürftig. Und bekommt Mülheim heute Hilfsmittel aus dem Stärkungspakt? Nein, Fehlanzeige, nicht bei diesen regierungstragenden Rot-Grünen Fraktionen und nicht beim Stärkungspakt Stadtfinanzen

Und ich bin mir ziemlich sicher, der Stärkungspakt wird Ihnen in den nächsten 3 Jahren noch völlig aus dem Ruder laufen. Nicht umsonst wurde in der letzten Woche bei der Mitgliederversammlung des Städtetages bereits gefordert,
die Hilfeleistung des Stärkungspaktes müsse unbedingt verlängert werden.

Punkt 2: Das Land trägt nach der Verfassung die Verantwortung für die NRW Kommunen. Von daher gelingt die angestrebte nachhaltige Konsolidierung der Kommunalfinanzen nur, wenn ganzheitlich angesetzt wird.

Ansonsten erzielen Sie nur die Wirkung eines Eimer Wassers, der in ein brennendes Haus geschüttet wird.
Wir brauchen die Beteiligung des Bundes, aber auch ein starkes Engagement des Landes, eine strikte Einhaltung des Konnexitätsgrundsatzes, mehr Transparenz und ein Benchmarking sowie eine daraus resultierende Aufgabenkritik, weniger Bevormundungspolitik und Bürokratie, eine Überprüfung des Kommunalisierungsgrades, strammere Aufsicht und weitere Einsparungen bei Kommunen, um hier wenige Beispiele zu nennen. All das und Mehr muss in ein Gesamtkonzept, aufeinander abgestimmt und zeitgleich umgesetzt werden. Sie reden hier über ihre Aktionen aus 2010, also aus der Vergangenheit. Das Land ist und bleibt heute gefragt und ist verantwortlich.

Punkt 3: Der Weg der Entlastung der Kommunen bei der Soforthilfe von 1 Mrd. Euro?
Wir sprechen uns außerhalb der Beschlusspunkte ebenso empfehlend dafür aus,
die Entlastung in Form einer Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft vorzunehmen. Grds. wäre dieser Weg für die NRW Kommunen vergleichsweise gut. Wer allerdings im Detail steckt sollte wissen, dass wir bei der ausschließlichen Wahl dieses Verteilungsweges bei der KdU zu einer mehr als 50-%-igen Kostenträgerschaft des Bundes und damit zur sog. staatlichen Auftragserledigung kommen. Das wäre für unsere Kommunen schlecht: ein Wechsel von der Selbstverwaltungsaufgabe zur staatlichen Auftragsverwaltung mit all den gravierenden Nachteilen in der Arbeitserledigung, der Einbeziehung des Bundesrechnungshofes und gestiegener Bürokratie. Von daher wird es wohl nicht an einem Weg über eine stärkere Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer vorbeigehen können, evtl. ist ja auch eine Mischform sinnvoll. Deshalb halten wir uns diesbezüglich im Beschluss zurück, ohne unsere Wunschpriorität nicht zuvor in Richtung der KdU geäußert zu haben.

Zusammenfassend darf ich feststellen: Unsere Kommunen benötigen unseren Rückhalt im Landtag. Daher empfehle ich Ihnen auch in der Rot-Grünen Regierungsfraktion, unseren ausgezeichneten Entschließungsantrag mitzutragen. Der ist gut und grds. konsensfähig. Wir werden uns bei Ihrem Antrag trotz oder aufgrund der von mir vorhin vorgetragenen kritischen Punkte enthalten müssen.